Biden zeigt Obama, wie es geht

Danville. Ein paar Minuten nach dem letzten Wortgefecht auf der Bühne des "Centre Colleges" in Danville kletterte Barack Obama in Washington mit ausgestrecktem Daumen aus der Air Force One. "Ich könnte nicht stolzer sein", erklärte der Präsident, der den Auftritt seines Vizes auf dem Weg zurück von einer Kundgebung in Florida verfolgt hatte

Danville. Ein paar Minuten nach dem letzten Wortgefecht auf der Bühne des "Centre Colleges" in Danville kletterte Barack Obama in Washington mit ausgestrecktem Daumen aus der Air Force One. "Ich könnte nicht stolzer sein", erklärte der Präsident, der den Auftritt seines Vizes auf dem Weg zurück von einer Kundgebung in Florida verfolgt hatte. Debatten-Training hoch über den Wolken. Biden hatte seinem Chef gezeigt, wie man im direkten Aufeinandertreffen mit dem politischen Gegner Unterschiede herausarbeitet und Fakten nicht erst am Tag danach klarstellt.Von der ersten Frage bis zum Schlussplädoyer flogen beim Duell der Vizepräsidentschaftskandidaten in Danville (Kentucky) die Fetzen. Während dem Republikaner Paul Ryan die Gratwanderung gelang, an seinen konservativen Positionen festzuhalten, ohne Mitt Romney zu untergraben, motivierte Biden die Basis der Demokraten mit einem kämpferischen Auftritt. Er packte in zwei Minuten mehr Angriffe auf den Republikaner als Präsident Obama in der gesamten Debatte gegen Romney.

Offensiv stellte der Vizepräsident Ryan zur Rede, warum er ein Drittel der Amerikaner als "Nehmer" bezeichnet hatte. Biden erinnerte bei der Gelegenheit an die heimlich aufgenommenen Bemerkungen Romneys vor reichen Sponsoren über "47 Prozent der Amerikaner", die nicht bereit seien, Verantwortung für ihr Leben zu übernehmen. Obwohl Biden die 90 Minuten weitgehend dominierte, schlug sich der jüngere Ryan wacker. Romney habe sich bei den "47 Prozent" unglücklich ausgedrückt. "Ich denke, der Vizepräsident weiß sehr genau, dass Worte manchmal nicht so aus dem Mund kommen, wie sie sollen", spielt er auf das Image Bidens an, eine "Patzer"-Maschine zu sein.

Nicht so bei der Debatte in Danville, deren außenpolitischen Teil der ehemalige Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im US-Senat klar für sich entschied. Den Vorwurf Ryans, auf der Weltbühne Schwäche zu zeigen, wies er als "einen Haufen Schwachsinn" zurück. Ein erhellender Moment kam, als die souveräne Moderatorin Martha Raddatz gezielt wissen wollte, was bedenklicher sei, ein neuer Krieg im Nahen Osten oder ein nuklear bewaffneter Iran. Ryan wählte den Iran. Biden hielt dagegen: "Ein weiterer Krieg ist das Letzte, was wir brauchen."

"Ein klarer Sieg für Biden", frohlockt der einflussreiche Kommentator Andrew Sullivan, der Obama riet, sich ein Beispiel an seinem Vize zu nehmen. So sahen es auch 50 Prozent bisher unentschiedener Wähler in einer CBS-Umfrage nach der Vizepräsidentschaftsdebatte. Nur 31 Prozent sahen Ryan vorn. Bei CNN lag der Republikaner gleichauf.

Doch die Amerikaner wählen nicht den Vizepräsidenten, sondern den Präsidenten. Deshalb liegt es nach Ansicht der Analysten an Obama, am Dienstag seine enttäuschende erste Debatte vergessen zu machen. Worauf der Präsident nach Ansicht erfahrener Beobachter beim zweiten Duell mit Romney getrost verzichten darf, ist das übertriebene Grinsen Bidens während der Debatte. Stilistisch habe er sich damit keinen Gefallen getan.

Meinung

Wie ein Stier in der Arena

Von SZ-KorrespondentThomas Spang

Mit der Angriffslust eines Stiers vor dem roten Tuch hat Joe Biden im Duell der Vize-Kandidaten die Schlappe von Präsident Barack Obama wettgemacht. Er stellte den Republikaner Paul Ryan zur Rede, zog klare Linien und ließ ihn nicht mit verbaler Kraftmeierei und Halbwahrheiten davonkommen. Der konservative Jungstar wiederum wich geschickt aus und bewies, dass er kein Luftikus vom Schlage einer Sarah Palin ist. Trotzdem verließ er die Arena mit Blessuren. Zu Iran und Abtreibung entlockte ihm Biden Positionen, die viele Amerikaner abschrecken. Und er ließ wichtige Fragen unbeantwortet.

Präsidentschafts-Wahlkämpfe verlangen die Bereitschaft zum politischen Nahkampf. Obama schreckte davor zuletzt zurück. Das kann er sich nicht noch einmal leisten. Sein Vize hat ihm gezeigt, was er tun muss: die Unterschiede in aller Deutlichkeit herausarbeiten.

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