Bewegung im Streit um Stuttgart 21

Stuttgart. Die anhaltenden Massenproteste gegen das umstrittene Projekt "Stuttgart 21" zeigen erste Wirkung. Nachdem am Freitag wieder Zehntausende gegen die Pläne für den Bahnhofsumbau demonstriert hatten, erklärte sich Bahnchef Rüdiger Grube am Wochenende dazu bereit, sich im September mit den Kritikern des Milliardenprojekts an einen Tisch zu setzen

Stuttgart. Die anhaltenden Massenproteste gegen das umstrittene Projekt "Stuttgart 21" zeigen erste Wirkung. Nachdem am Freitag wieder Zehntausende gegen die Pläne für den Bahnhofsumbau demonstriert hatten, erklärte sich Bahnchef Rüdiger Grube am Wochenende dazu bereit, sich im September mit den Kritikern des Milliardenprojekts an einen Tisch zu setzen. Grube räumte im SWR ein, die Kommunikation rund um den Bau sei "sehr, sehr schlecht gelaufen". Baden-Württembergs Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) habe vorgeschlagen, nun an einem Runden Tisch über das Projekt zu sprechen. Dazu sei er bereit. Der Sprecher des Aktionsbündnisses gegen das Projekt, Axel Wieland, begrüßte das Angebot Grubes als positiv. Zum Knackpunkt wird Grubes Ankündigung während des Treffens mit den Gegnern, die Abbrucharbeiten am Stuttgarter Hauptbahnhof nicht auszusetzen. "Es kann nicht sein, dass man nett mit uns redet und die Bauarbeiten gehen weiter wie bisher", sagte Wieland. Dies wäre "eine nette Ablenkungstaktik" der Bahn. Grube lehnte eine Unterbrechung der Bauarbeiten ab: Es sei aus Kostengründen nicht möglich, die Bagger ruhen zu lassen. Zudem sei die Bahn vertraglich zum Bauen verpflichtet. Die Bürgerinitiative "Leben in Stuttgart" macht einen Baustopp zur Bedingung für eine Teilnahme. Der Chef der Bürgerinitiative beschimpfte den Manager: "Grube ist ein absoluter Trickser und Täuscher", sagte Gangolf Stocker.Als mögliche Teilnehmer am runden Tisch nannte Grube neben den Projektpartnern von Bund, Land, Stadt und Bahn Vertreter von Bürgerinitiativen und auch Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne). Der langjährige Kritiker des Projekts begrüßte Grubes Offerte: "Ein solches Gesprächsangebot darf man nicht ausschlagen", sagte er. Ohne Baustopp gehe auch der Protest weiter. Heute soll die nächste Großdemonstration stattfinden, zu der laut Wieland etwa 10 000 Menschen erwartet werden. Die Bahn will den Stuttgarter Bahnhof, der bisher ein Kopfbahnhof ist, unter die Erde verlegen und so zu einem Durchgangsbahnhof machen. Der Umbau des Bahnhofs soll 4,1 Milliarden Euro kosten. Außerdem soll eine neue Trasse zum Flughafen und nach Ulm entstehen. Die Projektgegner kritisieren unter anderem, dass die Kosten für das Gesamtvorhaben statt der geplanten sieben Milliarden Euro auf bis zu elf Milliarden Euro steigen werden. Die Befürworter des Projekts verweisen demgegenüber auf kürzere Reisezeiten, rund 4000 neue Arbeitsplätze und bis zu acht Milliarden Euro Folgeinvestitionen. dpa/afpMeinung

Zu lange gewartet

Von SZ-RedakteurVolker Meyer zu Tittingdorf Die Befürworter des milliardenschweren Bahnhofsprojekts haben sich verrechnet. Die Planer haben es sträflich unterlassen, weiter für "Stuttgart 21" zu werben und den Nutzen des Bauprojekts aufzuzeigen, nachdem alle Gremien - von Stadtrat über den Landtag bis zum Bundesrat - zugestimmt hatten. Solche Großprojekte, die massiv in das Leben der Menschen eingreifen, bedürfen aber eines breiten Rückhalts in der Bevölkerung und damit immer wieder einer erneuten Rechtfertigung. Der Vorschlag für ein Treffen mit den Gegnern ist daher zu begrüßen. Doch vielleicht ist es für die Bahn zu spät. Die Fronten sind derart verhärtet, dass eine Verständigung unmöglich erscheint. Die Gegner werden damit rechnen, dass Bahn und Politik der Wucht des Protests nicht lange standhalten. Sollte es so kommen, hätte sich das Gesprächsangebot des Bahnchefs als Auftakt für den Abbruch des Projekts "Stuttgart 21" erwiesen.

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