Betreuter Streit in der Koalition

Berlin. Eigentlich wollte die schwarz-gelbe Koalition voller Zuversicht in die zweite Parlamentswoche nach der Sommerpause gehen. Die letzten Umfragen klangen gut und allenthalben bereitete man sich auf die Gedenkfeiern zur schwarz-gelben Wachablösung durch Helmut Kohl vor 30 Jahren vor

Berlin. Eigentlich wollte die schwarz-gelbe Koalition voller Zuversicht in die zweite Parlamentswoche nach der Sommerpause gehen. Die letzten Umfragen klangen gut und allenthalben bereitete man sich auf die Gedenkfeiern zur schwarz-gelben Wachablösung durch Helmut Kohl vor 30 Jahren vor.

Doch dann drängten sich wie so oft kurzfristig Misstöne von völlig unerwarteter Seite in den Vordergrund. Erst stimmten am vergangenen Freitag mehrere Ministerpräsidenten der CDU im Bundesrat mit SPD und Grünen für eine Frauenquote in Unternehmen und für einen Mindestlohn, dann lehnte am Montag die FDP einen Unions-Vorschlag für das Betreuungsgeld in Bausch und Bogen ab. Jetzt brennt die Hütte.

Vor allem in Niedersachsen, wo im Januar Landtagswahlen sind, ist man in CDU-Kreisen äußerst besorgt über das derzeitige Erscheinungsbild. Hinter vorgehaltener Hand ist von schlechtem Management und überflüssigen Konflikten die Rede, die als Gegenwind aus Berlin im Wahlkampf ankämen. Fraktionsgeschäftsführer Michael Grosse-Brömer (CDU), der aus dem Nordland stammt, mahnte öffentlich: "Wir müssen vernünftig miteinander umgehen." Allerdings war es auch ein Niedersachse, FDP-Generalsekretär Patrick Döring, der am Montag mit seinem Nein zum Unions-Vorschlag die Krise ausgelöste hatte.

Die Koalitionsspitzen zeigten sich gestern geschlossen in ihrer Kritik an den abweichlerischen Ministerpräsidenten und versuchten gleichzeitig, den Konflikt um das Betreuungsgeld herunterzudimmen. Beim so genannten Koalitionsfrühstück der Fraktionschefs und -Geschäftsführer spielte es nur am Rande eine Rolle.

Es sei ein "üblicher Weg", sich erst einmal in den eigenen Reihen zu einigen und dann an den Koalitionspartner heranzutreten, sagte etwa CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt. Und Grosse-Brömer wies darauf hin, dass die Liberalen ja selbst gefordert hätten, die Christdemokraten sollten erst einmal unter sich einig werden. Das habe man getan, nun begännen die Gespräche. Grosse-Brömer freilich war es auch, dem schwante: "Die jetzige Situation ist vielleicht nicht das Nonplusultra."

In der Sache hatte die Union bei ihrem vereinbarten Kompromiss vom Freitag das ursprüngliche Betreuungsgeld um einige Zusätze aufgehübscht, die allerdings zum Teil Mehrkosten verursachen. Ab 2013 sollen Eltern zunächst 100 Euro monatlich bekommen, wenn sie ihre ein- und zweijährigen Kinder nicht in eine Kita geben. Später soll der Zuschuss auf 150 Euro steigen. Neu ist, dass dieses Geld alternativ zur Aufbesserung der späteren Rente verwendet werden kann. Dafür würde noch ein zusätzlicher Anreiz von 15 Euro winken. Zu den ursprünglichen Kosten von rund 1,2 Milliarden Euro kämen damit aber weitere zwölf bis 15 Millionen Euro hinzu, was die FDP kritisiert. Die Union wollte mit den Nachbesserungen Kritiker in den eigenen Reihen besänftigen, die sich gegen eine Barauszahlung des Betreuungsgeldes gewandt hatten. Als weitere Neuerung war geplant, die Zahlung an eine Pflicht zur ärztlichen Vorsorgeuntersuchung der Kinder zu koppeln. Auch das lehnten die Liberalen ab.

Wie es nun weitergeht, steht noch in den Sternen. In FDP-Kreisen wurde gestern versichert, dass man nur die zusätzlichen Kosten für die Renten-Lösung vermeiden wolle. Andere Liberale wie Partei-Vize Holger Zastrow pochten auf handfeste Gegenleistungen des Koalitionspartners für ein Einlenken. Da gehörten dann solche Dinge auf den Tisch wie die Abschaffung der Praxisgebühr oder die Senkung des Solidarzuschlags, meinte Zastrow. Beide Forderungen zählen zur liberalen Grundausstattung.

Im Zweifel wird es jetzt aber von Merkel, Seehofer und FDP-Chef Philipp Rösler geklärt werden müssen. Die Drei seien zumindest seit Montag in intensiverem Telefonkontakt, hieß es in Koalitionskreisen. In jedem Fall ist aber der ursprüngliche Zeitplan verhagelt. Dabei wollte die Union das Betreuungsgeld pünktlich zum CSU-Parteitag am 19. Oktober unter Dach und Fach haben. Das hätte eine Ausschussberatung in dieser Woche und die Endabstimmung am 18. Oktober vorausgesetzt. CSU-Chef Seehofer hätte dann das bayerische Wahlkampfjahr mit einem politischen Triumph einläuten können, denn um nichts hatten die Christsozialen in Berlin erbitterter gekämpft als um das Betreuungsgeld. Allerdings sahen umgekehrt die Liberalen auch nichts kritischer. Angela Merkel vermittelt dagegen eher den Eindruck, das Betreuungsgeld sei ihr ziemlich gleichgültig.

Nun wurde das Thema kurzfristig von der Tagesordnung des Familienausschusses genommen, und nicht nur Seehofer musste ernüchtert feststellen, dass die Lage der Koalition "ernst" sei. Kein guter Start nach dem Sommer. "Was jetzt gefragt ist, ist ein hohes Maß an Geduld und starken Nerven."

CSU-Chef Horst Seehofer

"Es ist normal,

dass man unterschiedlicher Auffassung ist." FDP-Chef Philipp Rösler

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