„Ungeheuerlicher Vorgang“ Berlin zürnt über Trumps Botschafter

Berlin · SPD und Linke fordern Grenells Ablösung, weil er sich offen in EU-Politik einmischte. Maas setzt auf Entspannung.

US-Botschafter Richard Grenell ist zwar erst seit wenigen Wochen im Amt, hat dabei aber schon reichlich für Verärgerung gesorgt.

US-Botschafter Richard Grenell ist zwar erst seit wenigen Wochen im Amt, hat dabei aber schon reichlich für Verärgerung gesorgt.

Foto: dpa/Bernd von Jutrczenka

Der US-Botschafter in Deutschland, Richard Grenell, ist aus Sicht des früheren SPD-Vorsitzenden Martin Schulz untragbar geworden und sollte aus Berlin abgezogen werden. „Was dieser Mann macht, ist einmalig in der internationalen Diplomatie“, sagte der Außenpolitikexperte Schulz gestern. Statt wie üblich dem Gastland gegenüber neutral zu sein, agiere er wie der Aktivist einer rechten Politbewegung.

Erst hatte der Botschafter zur Stärkung Donald-Trump-freundlicher konservativer Kräfte in Europa aufgerufen, dann sorgte eine Einladung an den österreichischen Kanzler Sebastian Kurz für Irritationen: Grenell richtet am 13. Juni ein Essen für ihn aus. „Ich hoffe, dass der Kurz-Besuch zu einem Kurz-Aufenthalt von Herrn Grenell in seiner Funktion als Botschafter in Deutschland führt.“ Schulz nannte das Agieren Grenells einen „ungeheuerlichen Vorgang“.

Grenell erklärte via Twitter, dass er nicht zur Unterstützung bestimmter Parteien oder Personen aufrufe. Er betonte aber: „Ich stehe zu meinen Kommentaren, dass wir ein Erwachen von der schweigenden Mehrheit erleben – die die Eliten und ihre Blase ablehnt. Geführt von Trump.“

Der Botschafter nannte den jungen Politaufsteiger Kurz (31), dessen Österreichische Volkspartei (ÖVP) mit der rechtspopulistischen FPÖ regiert, zuletzt einen „Rockstar“ der europäischen Politik. Kurz gilt als Kritiker der Flüchtlingspolitik von Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Es ist unüblich, dass ein Botschafter einen Regierungschef bei einem Besuch im Gastland einlädt. Grenell hatte zuvor auch schon den Merkel-Kritiker Jens Spahn getroffen.

Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) setzt auf eine Entspannung bei Grenells Antrittsbesuch im Auswärtigen Amt heute. „Ich habe diese Äußerungen natürlich zur Kenntnis genommen und auch die Kritik, die es dazu gegeben hat“, sagte Maas. „Es wird sicherlich einiges zu besprechen geben, und deshalb ist es gut, dass der Botschafter morgen zu Gast ist bei Herrn Staatssekretär (Andreas) Michaelis.“

Grenell ist seit einem Monat US-Botschafter in Berlin und gilt als enger Vertrauter von US-Präsident Trump. Dieser hatte sich lobend zum Brexit geäußert und im französischen Wahlkampf Partei ergriffen für Marine de Pen und ihre rechte Bewegung Front National (inzwischen umbenannt: „Rassemblement National“). Statt mit den westlichen Partnern zusammenzuarbeiten, gibt es zunehmende Konfrontationen, das Verhältnis von Trump und Kanzlerin Angela Merkel ist sehr schwierig.

Nach Einschätzung des CDU-Außenpolitikers Jürgen Hardt legt Trump es darauf an, die EU zu schwächen. Dieses Ziel verfolge auch Grenell mit den Äußerungen, sagte der außenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion dem Sender HR-Info. Er wolle die Kräfte stärken, „die den europäischen Einigungsprozess stoppen oder gar zurückdrehen wollen“.

Linke-Fraktionschefin Sarah Wagenknecht forderte Grenells Ausweisung. „Wer wie US-Botschafter Richard Grenell meint, nach Gutsherrenart bestimmen zu können, wer in Europa regiert, der kann nicht länger als Diplomat in Deutschland bleiben“, sagte sie der „Welt“ weiter.

Grenells Äußerungen stoßen auch in seinem Heimatland auf Kritik. „Wenn Botschafter Grenell nicht bereit ist, auf politische Erklärungen zu verzichten, sollte er unverzüglich abberufen werden“, twitterte die demokratische Senatorin Jeanne Shaheen. Botschafter sollten sich nicht in die lokale oder regionale Politik einmischen. Auch Senator Chris Murphy kritisierte Grenells Agieren.

Gemäß dem Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen gibt es keinen „Knigge“, wie man sich als Diplomat im Gastland zu verhalten hat, aber eine so offene Einmischung und Einladung ausländischer Regierungschefs ist ungewöhnlich. Zuvor hatte Grenell schon deutsche Unternehmen gewarnt, weiter im Iran zu investieren.

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