Berlin blockiert schärfere Regeln für Abgas-Tests
Brüssel/Berlin · Eine neue Studie zeigt: Diesel-Pkw verschmutzen die Umwelt noch mehr als ohnehin befürchtet. Strengere Kontrollen soll es trotzdem nicht geben.
Die Bundesregierung blockiert den Vorstoß der Europäischen Union, die Auto-Hersteller schärfer zu kontrollieren. Das geht aus einem internen Papier des Rates der Mitgliedstaaten hervor. Das Verkehrsministerium lehnt demnach die Forderung ab, die Kontrollen der nationalen Fahrzeugbehörden durch eine unabhängige Instanz zu ergänzen. Dies sei "nicht erforderlich", heißt es in der Stellungnahme aus Berlin. Auch Italien und Spanien lehnen strengere Prüfungen ab.
Nach der Abgas-Affäre um Volkswagen und andere Hersteller hatte die EU-Kommission voriges Jahr eine umfassende Reform von Zulassungssystem und Umweltkontrollen vorgeschlagen. Unter anderem soll eine unabhängige Marktüberwachung bereits zugelassene Fahrzeuge in Stichproben testen. Fehlverhalten der Hersteller will die EU-Kommission zudem mit hohen Bußgeldern bestrafen. Auch dies lehnt die Bundesregierung ab. Heute und morgen sollen Experten aus den EU-Staaten über einen Kompromiss beraten.
Die Grünen kritisieren die Haltung der Bundesregierung heftig. Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) mache sich "zum Schutzpatron der Trickser und Betrüger beim Abgas-Skandal", sagte Verkehrsexperte Oliver Krischer unserer Zeitung. Eine unabhängige Kontrolle auf europäischer Ebene sei notwendig, um die Auto-Industrie "vor sich selber zu schützen". Der Bundesverband der Verbraucherzentralen kritisierte, die Regierung wolle offenbar "weiterhin die Auto-Industrie vor Sanktionen statt Verbraucher vor Schaden schützen". Die europäische Umweltorganisation Trans port&Environment erklärte, die Regierungen verhielten sich "schamlos so, als ob Dieselgate nie passiert wäre". Das Bundesverkehrsministerium wollte sich gestern auf Anfrage nicht äußern.
Derweil belegt eine neue Studie des Umweltbundesamtes, dass die Belastung mit gesundheitsschädlichen Stickoxiden durch Diesel-Autos noch höher ist als bislang angenommen. Selbst neue Fahrzeuge mit der höchsten Abgasnorm Euro 6 stoßen demnach im Schnitt 507 Milligramm Stickoxid pro Kilometer aus - das ist rund sechs Mal so viel wie der zugelassene Grenzwert von 80 Milligramm. Die Behörde berücksichtigte bei ihren Messungen erstmals auch die in Deutschland typischen Außentemperaturen, die unter den im Labor herrschenden Werten liegen. Dadurch stieg der Schadstoff-Ausstoß stark an. Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) forderte die Auto-Bauer auf, die Emissionen um mindestens die Hälfte zu senken. "Die Lösungen müssen von den Herstellern kommen", sagte sie.
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