Beim Geld hält sich Schwarz-Gelb bedeckt

Berlin. Wolfgang Schäuble hatte sich wieder einmal weit aus dem Fenster gelehnt: Nicht vor Mitte 2010 werde die Koalition darüber befinden, "ob, wann und wie viel" zusätzliche Steuerentlastungen noch drin seien, meinte der Bundesfinanzminister zu Wochenbeginn in einem Interview. Dumm nur, dass der Text schon zum Zeitpunkt der Drucklegung überholt war

Berlin. Wolfgang Schäuble hatte sich wieder einmal weit aus dem Fenster gelehnt: Nicht vor Mitte 2010 werde die Koalition darüber befinden, "ob, wann und wie viel" zusätzliche Steuerentlastungen noch drin seien, meinte der Bundesfinanzminister zu Wochenbeginn in einem Interview. Dumm nur, dass der Text schon zum Zeitpunkt der Drucklegung überholt war. Denn die Spitzen der Regierungsparteien hatten sich da bereits öffentlich in die Hand versprochen, an einer großen Steuerreform festzuhalten.

Umso mehr durfte man darauf gespannt sein, wie der CDU-Politiker gestern in seiner Bundestagsrede zum Auftakt der viertägigen Haushaltsdebatte mit der Schlappe umgehen würde. Nun, der Badener reagierte, indem er offiziell gar nicht reagierte: Begriffe wie Steuern oder Steuersenkungen vermied Schäuble in seinem Vortrag gänzlich. Wer allerdings zwischen den Zeilen las, der erfuhr, dass der Kassenwart vom jüngsten Schwur der Koalitionsoberen alles andere als angetan ist. Schäuble sprach auffällig viel vom Sparen und von einer "finanzpolitischen Herkulesaufgabe", um der verfassungsrechtlich verankerten Schuldenbremse ab 2016 zu genügen. Im Umkehrschluss heißt das: Zusätzliche Einnahmeausfälle des Staates sind so ziemlich das letzte, was ein Finanzminister bei diesem Kraftakt gebrauchen kann.

Im laufenden Jahr wird das Geld allerdings noch einmal mit vollen Händen unters Volk gebracht. Auf gut 325 Milliarden Euro will der Bund seine Ausgaben steigern. Das sind über 22 Milliarden Euro mehr als 2009. Weil die Wirtschaftskrise aber riesige Löcher in die öffentlichen Kassen gerissen hat, muss sich Schäuble dafür 85,8 Milliarden Euro von den Banken pumpen. Nimmt man noch die Schattenhaushalte für die Konjunkturpakete und den Bankenrettungsfonds hinzu, dann beträgt die Neuverschuldung sogar mehr als 100 Milliarden Euro. Das ist absoluter Negativrekord in der deutschen Nachkriegsgeschichte.

Schleierhaft ist, wie der Bund schon ab 2011 wieder vom Schuldenberg herunterkommen will. Fest steht nur, dass bis 2016 jährlich mindestens zehn Milliarden Euro eingespart werden müssen. Das gebietet die vereinbarte Schuldenbremse. Bei zusätzlichen Steuersenkungen würde sich der Konsolidierungsbedarf noch weiter erhöhen. Über Details künftiger Sparprogramme hüllte sich Schäuble auch gestern in Schweigen. Er sprach aber von "schwerwiegenden Entscheidungen", die auch vor Einschnitten in gesetzliche Leistungen nicht halt machen könnten. Was das bedeutet, zeigt ein Blick auf die Struktur des aktuellen Haushaltsentwurfs: Knapp 177 Milliarden Euro, also mehr als die Hälfte des Gesamtetats sind für Sozialausgaben inklusive Familienleistungen und Zuschüsse an die Rentenkasse reserviert. An diesem Kostenblock würde der Rotstift wohl zuerst ansetzen.

Die Opposition zeigte sich einmal mehr empört, dass die Regierung mit den Grausamkeiten immer noch hinterm Berg hält. Der Haushaltsexperte der Grünen, Alexander Bonde, warf Schwarz-Gelb vor, die Konsolidierungsstrategie bewusst zu verschleiern. Für den Schuldenabbau sei dann womöglich erst die Nachfolge-Regierung zuständig. Außerdem warnte Bunde davor, die Einnahmeseite durch weitere Steuersenkungen "kaputt" zu machen. Zumindest in diesem Punkt schien der Grüne dem Kassenwart aus der Seele gesprochen zu haben.

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