Beate Zschäpe bestreitet vor Gericht jede Beteiligung an den NSU-Verbrechen

Beate Zschäpe hat sich vor Gericht bei den Angehörigen der NSU- Opfer entschuldigt. Doch diese reagieren mit großer Enttäuschung und Wut auf ihre Aussage, in der die 40-Jährige ihre Beteiligung an den zehn Morden und zwei Sprengstoffanschlägen des NSU bestreitet.

Beate Zschäpe redet endlich. Diese Ankündigung wirkt wie ein Magnet. Schon in der Nacht wartet ein gutes Dutzend Zuschauer vor dem Gebäude des Oberlandesgerichts (OLG) am Münchner Stiglmaierplatz. Am frühen Mittwochmorgen erstreckt sich die Warteschlange über den gesamten Vorplatz. Alle 100 Plätze für Zuschauer und Journalisten sind vor Verhandlungsbeginn besetzt. Auch Angehörige von Mordopfern der mutmaßlichen NSU-Terroristen sind gekommen - in der Hoffnung, Zschäpe möge zur Wahrheit beitragen und so etwas wie Reue zeigen.

Ungewöhnlich an diesem 249. Verhandlungstag ist dann auch Zschäpes Verhalten, nachdem sie aus dem Gefangenenzimmer in den Saal geführt wird. Erstmals dreht sie den Fotografen nicht den Rücken zu. Sie zeigt sich gut gelaunt von vorne. Sie lächelt. 53 Seiten umfasst der Text, den Zschäpes junger Verteidiger Mathias Grasel anschließend vorträgt. Die Stellungnahme ist in der Ich-Form gehalten, am Ende der Verlesung bestätigt Zschäpe mit einem Nicken, dass es ihre eigene Erklärung ist. Diese enthält einen Kernsatz: "Ich war weder an den Vorbereitungshandlungen noch an der Tatausführung beteiligt."

Zschäpe lässt die Vorgeschichte erzählen - Kindheit, Schule, Jugend, Ausbildung zur Gärtnerin. Wie sie zunächst Uwe Mundlos und an ihrem 19. Geburtstag Uwe Böhnhardt kennenlernt, erst mit dem einen zusammen war und sich dann in den anderen verliebte. Von "nationalistischen" Liedern, die sie mit ihren Freunden "sang, beziehungsweise grölte". Wie sie dann nach und nach von den beiden Männern immer tiefer in ihre Welt hineingezogen worden sei, im Grunde gegen ihren Willen. Eine Garage in Jena als Versteck für Propaganda-Material und Sprengstoff habe sie zum Beispiel nur deshalb gemietet, weil Böhnhardt mit ihr Schluss gemacht habe und sie unbedingt wieder mit ihm zusammen sein wollte.

Es ist fast wie bei den drei Affen - nichts gesehen und nichts gehört haben will die 40-Jährige im Vorfeld von den zehn Morden, zwei Bombenanschlägen und fünfzehn Überfällen, die dem NSU angelastet werden. Sie will nicht mal zum Nationalsozialistischen Untergrund gehört haben. Gesagt haben will sie aber etwas: Immer wenn ihr die beiden anderen mutmaßlichen NSU-Mitglieder Uwe Mundlos oder Uwe Böhnhardt nach einiger Zeit einen Mord gestanden, habe sie mit "Fassungslosigkeit" oder "Entsetzen" reagiert, erklärt Zschäpe. Dass sie sich trotzdem nicht den Behörden gestellt hat, begründet sie außer mit der Sorge vor einer eigenen Haftstrafe mit Verlust ängsten. "Ich hatte Angst davor, dass sich beide umbringen würden und ich allen voran Uwe Böhnhardt verlieren würde."

Schließlich, am Ende von Zschäpes Aussage, heißt es: "Ich entschuldige mich aufrichtig bei allen Opfern und Angehörigen von Opfern." Und: "Ich fühle mich moralisch schuldig, dass ich zehn Morde und zwei Bombenanschläge nicht verhindern konnte." Die Angehörigen der Opfer glauben ihr nicht. "Meine von vornherein geringen Hoffnungen, dass mit dieser Erklärung endlich die genauen Umstände des Mordes an meinem Vater aufgeklärt werden, sind enttäuscht", erklärt Gamze Kubasik, die Tochter des in Dortmund ermordeten Ismael Kubasik. Dass Zschäpe Nachfragen der Opfer nicht beantworten will, wie ihr Anwalt Grasel mitteilt, das sei "schon wieder ein Schlag ins Gesicht", sagt Kubasik.

Scharfe Kritik kommt auch von den Anwälten der Opfer. "Ich habe ihr heute kein Wort geglaubt", sagt Rechtsanwalt Mehmet Daimagüler . "Meine Mandantschaft wollte erfahren, warum ihre Väter, Ehemänner , Brüder sterben mussten. Davon hat Frau Zschäpe nichts gesagt." Und sein Kollege Stefan Lucas erklärt: "Wenn das alles ist, was Frau Zschäpe uns zu sagen hatte, dann hätte sie besser gar nichts gesagt".

Zum Thema:

HintergrundDie Angehörigen der Opfer und deren Anwälte zweifeln an der Aussage von Beate Zschäpe. Darf ein Angeklagter im Strafprozess lügen? Ja. Er kann falsche Angaben machen, um sich selbst zu schützen. Denn es darf niemand dazu gezwungen werden, sich selbst mit einer Straftat zu belasten (Selbstbelastungsfreiheit). Der Angeklagte darf durch seine Lügen aber keine Straftaten begehen, etwa weil er wahrheitswidrig Dritte anschwärzt. Zeugen müssen vor Gericht dagegen die Wahrheit sagen, sonst können sie sich strafbar machen. Sie dürfen die Aussage aber verweigern, wenn sie damit sich selbst oder ihnen nahestehende Personen belasteten oder wenn sie bestimmten Berufsgruppen angehören. dpa

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort