Beamte legen die EU lahm
Brüssel. Der Streit um die Erhöhung der Gehälter für EU-Beamte eskaliert. Rund 2000 Mitarbeiter von Kommission und Ministerrat legten gestern stundenweise die Arbeit nieder, rund 500 nahmen an einer Protestdemonstration teil. Morgen wollen empörte Eurokraten die Kommission blockieren
Brüssel. Der Streit um die Erhöhung der Gehälter für EU-Beamte eskaliert. Rund 2000 Mitarbeiter von Kommission und Ministerrat legten gestern stundenweise die Arbeit nieder, rund 500 nahmen an einer Protestdemonstration teil. Morgen wollen empörte Eurokraten die Kommission blockieren. Die 42 000 Beschäftigten der EU-Institutionen bestehen auf einer Anhebung ihrer Einkommen um 3,7 Prozent. "Wir finden, das ist kein Skandal", erklärte Massimo Mauro, Chef der Arbeitnehmervertretung beim EU-Ministerrat. Anders als hierzulande werden die Gehaltsanpassungen nicht in Tarifverhandlungen vereinbart, sondern nach einer festgelegten Formel aus den durchschnittlichen Beamtengehältern in acht Mitgliedstaaten, darunter Deutschland, errechnet und dann von den Finanzministern beschlossen. Für die laufende Runde sind die Einkommen des Jahres 2008 ausschlaggebend, als es in einigen Ländern hohe Inflationsraten gab. Diese lag in Belgien deutlich über fünf Prozent. Während Kommissionspräsident José Manuel Barroso die errechnete Erhöhung als "geltendes Recht" verteidigt, sind aus den Mitgliedstaaten andere Töne zu hören. In dieser Wirtschaftslage sei eine solche Lohnerhöhung "einfach nur frech", hieß es. Mindestens 15 EU-Länder drängen deshalb darauf, eine Sonderklausel zu nutzen, mit der die Löhne aufgrund besonderer Bedingungen unverändert gelassen werden könnten. Auch Berlin will eine Nullrunde und verweist - wie viele andere Regierungen vor allem aus Osteuropa - auf die Krise. Andere EinkommensweltSchließlich, so ergänzt man, leben die EU-Beamten ohnehin in einer anderen Einkommenswelt als ihre Kollegen in den Bundes- oder Landesverwaltungen. Zwischen 2556,91 Euro und 17 697,68 Euro verdienen die Mitarbeiter der Administration in Brüssel, Luxemburg und Straßburg im Monat. Hinzu kommen steuerfreie Zulagen, Kinderzuschläge und ein Extra für die heimatferne Unterbringung. Doch diesen Einwand wollen die EU-Beamten nicht gelten lassen. Sie hätten, halten sie ihren Kritikern entgegen, mehrmals Einbußen hinnehmen müssen. Dem gestrigen Ausstand sollen nun weitere folgen, eine Demonstration im Europäischen Parlament wird noch vor Weihnachten geplant. Sollte man sich bis zum Jahresende nicht einigen können, wollen die Beamtenvertretungen vor dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg klagen. Dass EU-Beamte streiken dürfen, gilt in Brüssel als "in Ordnung". Sie nähmen "nur ihr demokratisches Streikrecht in Anspruch" betonte gestern ein Sprecher der Kommission. Meinung
Ansprüche in der Krise
Von SZ-KorrespondentDetlef Drewes Es gibt gute Gründe, Europas Beamten die errechnete Gehaltsanpassung zu gönnen: die hohe Inflation in Belgien, die Zusatzkosten für das Leben fern der Heimat, die hohen Zusatzqualifikationen, die für ihren Job gefordert werden. Dennoch müssen es sich auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der EU gefallen lassen, dass ihre Einkommen an den finanziellen Möglichkeiten der Mitgliedstaaten in der Krise gemessen werden. Das stellt keinen Widerspruch zu den geltenden Vereinbarungen dar, die entsprechende Ausnahmeklausel ist sogar Bestandteil der Abmachungen.