Von Michael Fischer Außenminister Maas bereist den Hotspot des Klimawandels

Pond Inlet · Nirgendwo auf dem Planeten ist die Erderwärmung so stark zu spüren wie in der Arktis. Das bietet zwar einige Chancen, aber vor allem Probleme und Risiken.

 Außenminister Heiko Maas mit Sonnenbrille und Baseballmütze in der Arktis: Bald soll sich auch das Kabinett mit der Region beschäftigen.

Außenminister Heiko Maas mit Sonnenbrille und Baseballmütze in der Arktis: Bald soll sich auch das Kabinett mit der Region beschäftigen.

Foto: dpa/Kay Nietfeld

Vor 40 Jahren war die Welt von Mary Ellen Thomas noch eine ganz andere. Am 1. Juli, dem Nationalfeiertag Kanadas, reiste sie mit dem Hundeschlitten oder einem Schneemobil immer von Iqaluit über das Eis in das 100 Meilen entfernte Kuyait zu einem Familientreffen. Schon 25 Jahre später gab es große Lücken, die Strecke war nur noch zur Hälfte auf Eis passierbar, erinnert sich Thomas. Und wenn man heute an einem 1. Juli nach Kuyait will, muss man ein Boot nehmen. Thomas ist Forscherin am Nunavut Resaerch Institute Iqaluit, der nur 8000 Einwohner zählenden Hauptstadt der arktischen Region Nunavut, die Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) am Mittwoch und Donnerstag besuchte. Auf einer großen runden Karte auf dem Fußboden mit dem Nordpol in der Mitte zeigt sie dem Gast aus Deutschland die riesige Fläche des Arktischen Ozeans, an den fünf Länder grenzen: Kanada, Russland, die USA, Norwegen und Grönland, das zu Dänemark gehört.

Die Eisfläche, die einen Teil des Meeres auch im Sommer bedeckt, war vor 50 Jahren noch doppelt so groß. Und auch die Dicke des Eises hat sich seitdem halbiert. Sprich: Von der Eismasse ist nur noch ein Viertel übrig. Zwei Flugstunden nördlich von Iqaluit macht sich Maas am Donnerstag selbst ein Bild von der arktischen Eisschmelze. Pond Inlet, eine kleine Siedlung des indigenen Inuit-Volkes mit 1700 Einwohnern, liegt nördlich des Polarkreises. Als Maas am Vormittag ankommt, sind es trotzdem schon acht Grad, später sollen es zwölf werden. Es ist so warm, dass die Kinder in einem kleinen Tümpel im Ort baden gehen.

Mit einem Boot fährt Maas nach Bylot Island. Vor der Abfahrt steckt man ihn am Strand in einen orangenen Rettungsanzug, obwohl es fast windstill ist und das Meer extrem ruhig. Sonnenbrille und Baseballmütze von den New York Yankees komplettieren das Outfit für einen Tag vor einer spektakulären Kulisse.

Die Region Nunavut ist so stark vom Klimawandel betroffen wie keine andere Region der Welt. Und das, was hier passiert, hat Folgen für den Rest des Planeten. Wetterextreme in Europa sind ebenso eine Folge der Arktis-Erwärmung wie der Anstieg des Meeresspiegels um etwa drei Millimeter pro Jahr.

Es gibt aber auch eine positive Seite der Medaille: Die Eisschmelze legt neue Schiffsrouten frei. Einige Forscher meinen, das Arktische Meer könnte schon in 20 Jahren in den Sommermonaten eisfrei sein. Der Weg zwischen Europa und Asien könnte so um 40 Prozent verkürzt werden. Wertvolle Rohstoffe sind dann auf einmal erreichbar: 30 Prozent der weltweiten Gasreserven und 16 Prozent des Öls und riesige Vorkommen mineralischer Ressourcen werden in der Arktis vermutet.

Diese Chancen bergen jedoch Konfliktpotenzial. Profitmöglichkeiten rufen konkurrierende Gebietsansprüche zwischen den Anrainerstaaten hervor. Das Säbelrasseln hat längst begonnen. So setzte bereits 2007 ein russischer Duma-Abgeordneter von Bord eines U-Boots aus eine russische Titan-Flagge auf dem Meeresboden unter dem Eis des Nordpols ab. Auch bei großen Militärmanövern wird die Arktis in den Blick genommen – wie beispielsweise bei der russischen Großübung „Sapad“ 2017. Ein Jahr später fand die größte Nato-Übung seit Ende des Kalten Krieges im Artis-Anrainerstaat Norwegen statt. Droht also ein „eiskalter Krieg“?

Außenminister Maas sieht das nicht. „Ich habe weder Angst, auch keine Sorge“, sagt er in Bylot. Die Anrainer würden sich bisher sehr verantwortlich verhalten. Der Außenminister will mit einer seiner bisher spektakulärsten Reisen darauf aufmerksam machen, wie wichtig diese so dünn besiedelte Region im hohen Norden für das Thema Klimaschutz weltweit ist. „Es gibt Auswirkungen für die Menschen, die hier leben, und zwar ganz dramatische. Aber nicht nur für die, die hier leben“, sagt der Außenminister. In Kürze will er dem Kabinett Leitlinien für eine Arktis-Politik vorlegen.

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