Massaker in der USA Der Hass, die Schüsse – und die Waffenlobby

El Paso/Dayton · Bei den schlimmsten Schusswaffen-Angriffen in den letzten 20 Jahren sind in den USA innerhalb von weniger als 24 Stunden 29 Menschen getötet worden

 „Keine Waffen mehr! Macht Liebe“ steht auf dem Schild an einem Kreuz, neben dem sich eine Frau in Juarez, Mexiko, niedergelassen hat.

„Keine Waffen mehr! Macht Liebe“ steht auf dem Schild an einem Kreuz, neben dem sich eine Frau in Juarez, Mexiko, niedergelassen hat.

Foto: dpa/Christian Chavez

Wer auf dem Freeway Nummer 10 durch die texanische Stadt El Paso fährt, sieht mit Blick in Richtung Süden die eng an eng gebauten Häuser von Ciudad Juarez. Die USA und Mexiko sind hier nur wenige hundert Meter getrennt, ein Grenzzaun soll illegale Übergänge verhindern. El Paso mit seinen 680 000 Einwohnern wird auch stark von der lateinamerikanischen Kultur geprägt. Viele der Bürger sind Hispanics, ein Teil von ihnen hält sich illegal in der Stadt auf. Als Präsident Donald Trump im Frühjahr vom „nationalen Notstand“ an der US-Grenze redete, meinte er auch El Paso.

Der 21-jährige Patrick Crusius aus der Stadt Allen nahe Dallas fuhr am Wochenende fast 1000 Kilometer in Richtung Südwest-Texas, weil ihm –  glaubt man einem veröffentlichten Internet-„Manifest“ – die Grenzstadt mit ihrer diversen Mischung und multikulturellen Prägung als perfektes Ziel für einen Anschlag erschien. Die Polizei ist mittlerweile davon überzeugt, dass die Online-Erklärung von Crusius – veröffentlich auf der vom rechtsextremen Spektrum bevorzugten Plattform 8chan –  authentisch ist. Der Täter habe so viele Mexikaner wie möglich töten wollen, berichtete der Sender ABC unter Berufung auf die Ermittler. In dem Manifest wird unter anderem die „Hispanic invasion of Texas“, also der starke Zuzug von Latinos nach Texas, als Tatmotiv angegeben. „Ich bin total nervös, aber kann nicht länger warten,“ schrieb der weiße Täter. El Paso stehe für das, was „falsch in diesem Land“ sei. Und: „Ich werde vermutlich heute sterben“.

Diese Nachrichten erschienen Berichten zufolge auf 8chan nur 14 Minuten, bevor Crusius sein Fahrzeug am Samstagmorgen gegen 10.40 Uhr Ortszeit vor einem „Walmart“-Einkaufszentrum parkte, sich Ohrenschützer aufsetzte und mit einem legal erworbenen Schnellfeuergewehr des Typs AK-47 in Richtung des gut besuchten Warenhauses ging. Gleichzeitig war das FBI von anderen 8chan-Nutzern über das Manifest informiert worden – doch es gelang der Bundespolizei nicht, sofort die Identität des Autors festzustellen. Das gab Patrick Crusius für die Ausführung seiner Hass-Morde einen wertvollen Vorsprung. Die ersten Menschen, die er ins Visier nahm, starben bereits vor dem „Walmart“-Eingang. Am Ende des Amoklaufs stehen mindestens 20 Tote und 26 Verletzte, von denen viele um ihr Leben kämpfen. Drei der Toten sind Besucher aus Mexiko. Patrick Crusius stirbt an diesem Tag – anders als er es zunächst angenommen hatte –  nicht. Er wird nahe des Tatorts gestellt und ergibt sich widerstandslos.

Das Motiv für das zweite Blutbad, das dann nur 13 Stunden später die USA erschüttert, ist bislang noch unklar. Im Gegensatz zu El Paso überlebt der Täter, der am Samstagabend in der Stadt Dayton (Ohio) in einem beliebten Barviertel aus einem großkalibrigen Gewehr das Feuer wahllos auf Passanten eröffnet, nicht. Uniformierte Cops, die im „Orgeon“-Distrikt routinemäßig patroullieren, töten den Mann innerhalb von nur 60 Sekunden nach den ersten Schüssen. Auf die Frage, ob sich der Mörder womöglich durch die Tat von El Paso animiert fühlte, gibt es noch keine Antwort. Nach Angaben aus Justizkreisen soll es sich bei dem Täter um einen nicht vorbestraften 24-Jährigen handeln, von dem bislang keine Verbindungen in die rechtsextreme Szene bekannt sind. Dass er innerhalb von einer Minute in Ohio neun Menschen erschießen und 26 verletzen konnte, zeigt Experten zufolge einmal mehr die verheerende Wirkung, die Schnellfeuergewehre anrichten können.

  Menschen stehen unter Schock nach einer Schießerei in El Paso.

Menschen stehen unter Schock nach einer Schießerei in El Paso.

Foto: dpa/Briana Sanchez

Zwei stark bevölkerte Tatorte mit ungeschützten und wehrlosen Zielen für die Täter – und deckungsgleiche Reaktionen, die an die Stellungnahmen zu vorausgegangenen Massakern erinnern. „Gott segne die Menschen von El Paso. Gott segne die Menschen von Dayton“, lautet gestern die kurze Twitter-Botschaft von Trump. Der Tweet enthält kein Forderung nach schärferen Waffengesetzen und auch keine Verurteilung der Täter. Seit langem steht Trump hinter den Thesen der einflußreichen US-Waffenlobby und der „National Rifle Association“, die argumentieren: Nur mit mehr Waffen lässt sich mehr Sicherheit schaffen. Nach vorausgegangenen Blutbädern an amerikanischen Schulen hatte der Präsident deshalb beispielsweise Forderungen unterstützt, Lehrer zu bewaffnen und einem regelmäßigen Schießtraining zu unterziehen. Demokraten im Kongress fordern hingegen seit langem schärfere Waffengesetze.

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