Ende der Zwangspause Das Brexit-Drama im Unterhaus geht weiter

London · Nach dem gerichtlich verfügten Ende der Zwangspause tagt das britische Parlament wieder – und schon am ersten Tag geht es hoch her.

 Das britische Parlament durfte am Mittwoch wieder tagen – und sogleich flogen die Fetzen zwischen Regierung und Opposition.

Das britische Parlament durfte am Mittwoch wieder tagen – und sogleich flogen die Fetzen zwischen Regierung und Opposition.

Foto: dpa/House Of Commons

„Willkommen zurück an unserem Arbeitsplatz.“ So begrüßte der Unterhaussprecher John Bercow am Mittwoch die Abgeordneten bei ihrer ersten Sitzung nach der Aufhebung der Zwangspause des Parlaments. Und was das Drama anbelangte, machten die Volksvertreter da weiter, wo sie vor zwei Wochen aufgehört hatten. Die Opposition ließ ihren aufgestauten Ärger, ihre Wut und Frustration über das Verhalten der Regierung heraus. Die Gegner von Boris Johnson werfen dem Premierminister vor, dass er das Unterhaus kaltstellen wollte, um seinen harten Brexit-Kurs durchzuboxen. Es wurde gebrüllt und gebuht, geschimpft und gekeift. Derweil schossen Regierungsvertreter verbal zurück.

Johnson befand sich zu diesem Zeitpunkt noch auf dem Flug von New York nach London. Als er am Abend im Unterhaus das Wort ergriff, forderte er die Opposition zu einem Misstrauensvotum gegen seine Regierung auf, um so eine Neuwahl zu erreichen. Er würde für eine Abstimmung darüber am Donnerstag Zeit machen, sagte Johnson gestern Abend. Oppositionschef Jeremy Corbyn lehnte einen solchen Antrag ab. Er werde keine Neuwahl unterstützen, es sei denn die Option eines Brexits ohne Abkommen sei ausgeschlossen. Corbyn sagte, Johnson sollte eine Verschiebung des Brexit-Datums herbeiführen. Danach könne man wählen. Außerdem forderte er Johnson auf, sich sowohl bei der Queen als auch der Bevölkerung zu entschuldigen. Gleichzeitig erneuerte er seine Forderung, der Regierungschef müsse zurücktreten. Das hatte Johnson noch am Dienstag ausgeschlossen. Auch Generalstaatsanwalt Geoffrey Cox, auf dessen Empfehlung die Regierung den Zwangsurlaub bei der Königin beantragt hatte, hält an seinem Posten fest. „Ich akzeptiere, dass wir verloren haben“, sagte der juristische Berater. Aber es sei vertretbar gewesen, zu einem anderen Schluss zu kommen als der Supreme Court. Gleichzeitig attackierte der europaskeptische Tory die Opposition scharf. „Dieses Parlament ist ein totes Parlament. Es sollte nicht mehr tagen. Es hat kein moralisches Recht, auf diesen grünen Bänken zu sitzen.“ Der Grund für seinen Wutausbruch: Die Weigerung der Abgeordneten, dem Antrag auf Neuwahlen von Johnson stattzugeben. Damit solle letztlich der Brexit verhindert werden, kritisierte Cox.

Die Frage, die sich am Mittwoch stellte, lautete: Nun, da die Parlamentarier mehr Zeit zum Tagen bekommen haben, wie würden sie diese nutzen? Angeblich wollen sie von der Regierung die Veröffentlichung weiterer Pläne für den Fall eines ungeregelten Austritts ohne Abkommen verlangen. Manche Beobachter spekulierten zudem über einen möglichen Misstrauensantrag gegen Johnson. Das Problem: Noch immer gilt es als ausgeschlossen, dass Labour-Chef Corbyn eine Mehrheit im Unterhaus zusammenbekommen würde, um eine alternative Regierung zu bilden. Johnson selbst pocht auf Neuwahlen – und will deshalb abermals versuchen, die notwendige Zweidrittelmehrheit im Parlament zu erreichen. Letztlich bietet sich Johnson noch eine andere, wenn auch äußerst umstrittene Option: Er könnte die Abgeordneten schlichtweg erneut in den Zwangsurlaub schicken. Dieses Mal müsste die Pause nur kürzer ausfallen.

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