Breton-Rücktritt Zoff mit von der Leyen? Neuer Kandidat für EU-Kommission
Brüssel/Paris · Er galt als gesetzt: Der Franzose Thierry Breton wird doch nicht erneut EU-Kommissar. Aus Paris geht stattdessen ein neuer Kandidat ins Rennen.
Kurz vor der Vorstellung des neuen Teams für die EU-Kommission tritt der derzeitige französische Kommissar Thierry Breton überraschend zurück. Als Grund führte er in einem auf der Plattform X veröffentlichten Brief Differenzen mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen an. Breton war bisher Kommissar für Binnenmarkt und Dienstleistungen. Neuer Kandidat aus Paris wird der geschäftsführende Außenminister Stéphane Séjourné.
Breton hatte von der Leyen in dem Brief vorgeworfen, dass sie Frankreich vor einigen Tagen dazu aufgefordert habe, seinen Namen für die neue Kommission zurückzuziehen - und das aus persönlichen Gründen, die sie nicht direkt mit ihm besprochen habe. Der Franzose schrieb weiter, dass er „angesichts dieser jüngsten Entwicklungen, die einen weiteren Beweis für fragwürdige Regierungsführung darstellen“, mit sofortiger Wirkung als EU-Kommissar zurücktreten müsse.
Von der Leyens neue Kommission soll diese Woche im EU-Parlament in Straßburg vorgestellt werden. Breton galt als gesetzt - und es wurde erwartet, dass er wieder ein wichtiges Ressort erhalten würde.
Der französische Präsident Emmanuel Macron schlug nun Séjourné für das Amt vor. Séjourné war in der vergangenen Legislaturperiode Vorsitzender der liberalen Renew-Fraktion im Europaparlament, bevor er Anfang des Jahres als Außenminister nach Paris wechselte.
Macron bedankt sich bei Breton
In einer Mitteilung des Élysée-Palasts hieß es, Séjourné erfülle alle erforderlichen Kriterien. Macron sprach Breton seinen Dank aus und bezeichnete ihn als „bemerkenswerten EU-Kommissar“. Er habe stark dazu beigetragen, eine europäische Souveränitätspolitik in der Digitalpolitik voranzutreiben und den EU-Binnenmarkt während der Corona-Krise zu widerstandsfähiger zu machen. Zu einem möglichen Konflikt mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen äußerte er sich nicht.
Eine Sprecherin der EU-Kommission sagte, dass von der Leyen den Rücktritt zur Kenntnis nehme und Breton für seine Arbeit als Kommissar während der gesamten Amtszeit danke. Zu den scharfen Vorwürfen gegen die Deutsche wollte sich die Sprecherin nicht äußern. Im Zuge der Ernennung des früheren französischen Wirtschaftsministers Breton zum Binnenmarktkommissar im Jahr 2019 hatte es bereits Ärger zwischen von der Leyen und Macron gegeben. Und auch während seiner Amtszeit übte er öfter öffentlich Kritik an von der Leyen.
Nationale Interessen zu sehr im Fokus?
In Berlin und anderen europäischen Hauptstädten dürfte der Abgang von Breton nicht mit besonders großem Bedauern gesehen werden. Regierungsvertreter hatten dem Franzosen in der Vergangenheit immer wieder vorgeworfen, einseitig die wirtschaftspolitischen Interessen seines Heimatlandes zu vertreten, obwohl Kommissionsvertreter eigentlich unabhängig von den nationalen Interessen einzelner Regierungen agieren sollen. Zudem wurde etwa kritisch gesehen, dass sich Breton zuletzt unabgesprochen mit dem US-amerikanischen Tech-Milliardär Elon Musk anlegte.
Auswahl der Kommission als letzter großer Schritt
Der Führung der EU-Kommission sind rund 32.000 Mitarbeiter unterstellt, die unter anderem Vorschläge für neue EU-Gesetze machen und die Wahrung der Europäischen Verträge überwachen. Die Auswahl von Kommissarinnen und Kommissaren für die neue EU-Kommission ist der letzte große Schritt zur Neubesetzung von politischen Spitzenpositionen nach der Europawahl im Juni.
Von der Leyen will bei der Besetzung auch auf eine Geschlechterparität achten. Daher bat sie die Staats- und Regierungschefs der EU-Staaten schriftlich darum, sowohl einen Mann als auch eine Frau für die Kommissarsposten vorzuschlagen. Die meisten EU-Mitgliedsstaaten widersetzten sich jedoch von der Leyens Forderung und nominierten nur einen Kandidaten für die Kommission - die Mehrheit von ihnen war männlich.
Geschlechterparität in der Kommission
Ausnahmen gab es für EU-Länder, die ihren amtierenden EU-Kommissar - wie Breton - für eine weitere Amtszeit nominieren wollten. Die EU-Verträge schreiben nicht vor, dass Mitgliedstaaten einen Mann und eine Frau nominieren müssen.
Von der Leyen war bereits kurz danach von den Staats- und Regierungschefs der EU-Staaten für eine zweite Amtszeit als Präsidentin der mächtigen Behörde nominiert und vom Europaparlament gewählt worden. Nach dem Nominierungsprozess für die Kommissare muss sie diesen nun Aufgabenbereiche zuordnen.
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