Wikileaks-Gründer Julian Assange wird in Auslieferungsverfahren an USA angehört Erbitterter Kampf für die Freiheit

London · Am Montag beginnt in London die Anhörung im Auslieferungsverfahren, das die USA gegen den Wikileaks-Gründer Julian Assange erwirkt haben.

  Eines der wenigen neueren Fotos von Julian Assange. Hier wird er am 11. April 2019 zum Gerichtstermin gefahren.   Foto: Victoria Jones/dpa

Eines der wenigen neueren Fotos von Julian Assange. Hier wird er am 11. April 2019 zum Gerichtstermin gefahren. Foto: Victoria Jones/dpa

Foto: dpa/Victoria Jones

Jeden Tag geht der Häftling die drei Meter seiner Zelle auf und ab, immer wieder, stets sein Ziel vor Augen, eines Tages mit seinem Vater den Jakobsweg in Spanien entlangzuwandern. Den Plan schmiedeten John Shipton und sein Sohn Julian Assange schon vor einigen Jahren, wie der Vater nun am Rande einer Pressekonferenz in London erzählt. Der hagere Mann trägt einen schwarzen Anzug, schwarze Krawatte und schwarzen Mantel, spricht mit leiser, bedächtiger Stimme, fast schüchtern wirkt er.

Noch handelt es sich bei der Pilgerreise um einen Traum. Nicht nur  dass sein Sohn seit April vergangenen Jahres im britischen Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh eine Haftstrafe absitzt, weil er gegen Kautionsauflagen verstoßen hatte  und ihm die Abschiebung in die USA droht. Auch Assanges körperlicher wie psychischer Zustand sei sehr schlecht nach „zehn Jahren konstant zunehmender psychologischer Folter“. Rund 15 Kilogramm, schätzt sein Vater, habe der Australier abgenommen. Shipton reist derzeit mit Unterstützern seines Sohnes durch Europa, um sich für die Freilassung des Wikileaks-Gründers einzusetzen.

Am kommenden Montag beginnt im Londoner Woolwich Crown Court die auf eine Woche angesetzte Anhörung im Auslieferungsverfahren, das die USA gegen Assange erwirkt haben. Im Mai soll es fortgesetzt werden, wie Jennifer Robinson aus seinem Anwaltsteam bestätigt. Doch den „Fall seines Lebens“ vorzubereiten, gestalte sich als extrem schwierig, da die Juristen nur begrenzten Zugang zum Gefängnis hätten und auch die Möglichkeit eingeschränkt sei, dem berühmtesten Häftling der Welt Dokumente zu hinterlassen.

Die USA werfen dem 48-Jährigen Spionage und Hacking vor. Ihm drohen 175 Jahre Gefängnis und damit lebenslange Haft, sollte er in allen 18 Punkten schuldig gesprochen werden. Laut den US-Ermittlern sei er auf illegale Weise in den Besitz militärischer und diplomatischer Geheimdokumente gekommen. Das ihm zugespielte Material hat er im Jahr 2010 und 2011 publiziert. Es geht um brisante Videos und Papiere zu amerikanischen Einsätzen im Afghanistan- und im Irakkrieg, die auf der Internetplattform Wikileaks veröffentlicht und durch die von US-Soldaten begangene Kriegsverbrechen bekannt wurden. Die Enthüllungen hatten damals eine weltweite diplomatische Krise ausgelöst.

Aus Angst vor einer Auslieferung an die USA war Assange, der sich zu jener Zeit in London aufhielt, 2012 in die ecuadorianische Botschaft in der britischen Hauptstadt geflüchtet. Damals lag gegen ihn ein europäischer Haftbefehl wegen Vergewaltigungsvorwürfen in Schweden vor. Die Ermittlungen wurden 2019 eingestellt.

Assanges Anwälte argumentieren, der Australier sei ein Journalist, der mit der Veröffentlichung von Beweisen für US-Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen getan habe, „was alle Journalisten tun würden“, so Robinson. Die Publikationen seien im öffentlichen Interesse gewesen. Der Chefredakteur der Enthüllungsplattform, Kristinn Hrafnsson, stimmt den Juristen zu. Es handele sich um einen „politischen Fall“ und bei Assange um einen „politischen Gefangenen“, sagt er. Deshalb sei man jetzt auch neben der Öffentlichkeit und den Medien auf Politiker angewiesen. Die konservative britische Regierung hat das Auslieferungsersuchen förmlich zugelassen, die Entscheidung liegt jedoch letztendlich beim Gericht. „Auf dem Spiel steht nicht nur das Leben von Assange, sondern die Zukunft des Journalismus“, sagt Hrafnsson, der den Australier regelmäßig im Gefängnis besucht. Seit dieser vor zwei Wochen auf Druck der Öffentlichkeit sowie einiger Mitgefangenen aus der Einzelhaft entlassen wurde, habe sich sein Gesundheitszustand etwas verbessert. Doch wie bereits der UN-Sonderberichterstatter für Folter, Nils Melzer, im vergangenen Jahr schwere Vorwürfe gegen die Behörden in Großbritannien erhoben und seine Behandlung im Gefängnis angeprangert hat, so bemängelt auch Hrafnsson die Bedingungen. Geht Assange über die Flure, würden diese beispielsweise geräumt, um die Interaktion mit anderen Häftlingen zu begrenzen.

Zwei australische Abgeordnete, Andrew Wilkie und George Christensen, von der Gruppierung „Bring Julian Assange home“ sind diese Woche ebenfalls in die britische Hauptstadt gekommen, sie wollen ihren Landsmann in die Heimat holen. Christensen sagt, er sei ein Konservativer, ein Anhänger von US-Präsident Donald Trump und von Großbritanniens Premierminister Boris Johnson. „Aber ich bin ein noch größerer Fan von Meinungsfreiheit und einer freien Presse“. Diese seien im Fall Assange „unter Beschuss“.

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