Landesweite Maßnahmen Tag eins in der „Schutzzone“ Italien

Rom · Corona-Bann zwischen Alpen und Stiefel: Die Regierung verhängt drastische Maßnahmen für die Bürger. Das hat Folgen.

Ein Land kämpft gegen das Coronavirus: Im Museum der mittelalterlichen Burg Maschio Angioino in Neapel versprühte ein Mitarbeiter am Dienstag Desinfektionsmittel zum Schutz vor der Seuche.

Ein Land kämpft gegen das Coronavirus: Im Museum der mittelalterlichen Burg Maschio Angioino in Neapel versprühte ein Mitarbeiter am Dienstag Desinfektionsmittel zum Schutz vor der Seuche.

Foto: dpa/Alessandro Pone

Auf einem Markt in Rom, im Gassenviertel Trastevere, stehen zwei Frauen und klönen – fast wie an einem normalen Dienstag. Allerdings stehen sie weit auseinander – wegen des Coronavirus. Auf die Distanz müssen sie lauter sprechen. Doch was soll‘s? Seit diesem 10. März fühlt sich ganz Italien anders an als vorher.

Denn am Montagabend hat Ministerpräsident Giuseppe Conte eine extreme Maßnahme verkündet, um die Ausweitung der neuen Lungenkrankheit Covid-19 doch noch zu stoppen: Ganz Italien sei nun eine Art „Schutzzone“, sagt er. Der Premier setzt in seiner Rede nicht mehr auf Begriffe wie „Rote Zone“ oder Sperrzone. So waren die rigiden Einschränkungen im Norden des Landes zuvor genannt worden. Wirklich abgeriegelt waren aber auch diese großen Gebiete wie die Lombardei nie. Nun indes sollen alle rund 60 Millionen Bürger, von Ausnahmen wie dem Weg zur Arbeit abgesehen, zu Hause blieben. Wer mit der Bahn fahren will, muss an einem Kontrollpunkt eine Selbsterklärung zu den Gründen ausfüllen. Die Regierung fordert die Bürger zudem auf, einen Meter Sicherheitsabstand zu ihren Mitmenschen zu halten. Im Supermarkt, in der Apotheke, in der Bar. Wo sie noch hin dürfen. Am Dienstag hängen in vielen Läden Roms Zettel, um die Kunden zu informieren.

Die neuen Vorschriften gelten von den Alpen bis in die Stiefelspitze, unabhängig davon, wie hoch die Infektionsraten in der jeweiligen Region sind. Und zunächst bis 3. April. Die Botschaft: Das Land, das in der EU am stärksten von der Epidemie betroffen ist, greift durch.

Je mehr Infizierte und Tote der Zivilschutz bei der allabendlichen Liveschalte im Fernsehen meldete, desto eindringlicher klangen die Appelle der Politiker. Am Montag stieg die Zahl der Infizierten in Richtung 10 000 Menschen, die Zahl der Toten auf bald 500. Der Großteil der Maßnahmen, um das Virus einzudämmen, griff bisher offensichtlich nicht. In schneller Folge hatte Rom zuletzt neue Dekrete erlassen: Schulschließungen, Einschränkung der Bewegungsfreiheit in den stark betroffenen Gebieten im Norden, Stopp für Kinos und Theater überall.

Am Montag dann bezeichnet Regierungschef Conte die Corona-Epidemie als „dunkelste Stunde“ für Italien. Damit erinnert er an historische Worte des britischen Premiers Winston Churchill von 1940 während des Kampfes gegen die Nazis im Zweiten Weltkrieg. In seiner Ansprache am Abend, als er die „zona protetta“ ankündigt, sagt er, die Italiener seien im Kampf gegen das Virus nicht mehr gespalten in Gebiete. Zum Beispiel nicht in den reichen Norden, aus dem einige geflüchtet waren zu Verwandten weiter im Süden, wo die Lage noch entspannter war. Es gebe jetzt nun nur noch ein Italien. Außenminister Luigi Di Maio von der Fünf-Sterne-Bewegung appelliert auf Facebook, sein Land werde nie aufgeben. „Lasst es uns der Welt beweisen, lasst es uns allen beweisen.“

Auf vielen Straßen Roms, Mailands und in anderen Städten ist es an Tag eins der „Schutzzone“ noch ruhiger als an den Vortagen. Touristen, die sich sonst im Zentrum Roms drängeln, sind eher vereinzelt zu beobachten. In Bussen und Straßenbahnen herrscht Leere. Auch auf dem Petersplatz, den der Vatikan am Mittag absperrt.

Auf Roms Bürgersteigen tragen die Leute mehr Einkaufstaschen nach Hause. In den Läden gibt es Schlangen – auch deshalb, weil viele bewusst mehr Abstand halten. Vielerorts gibt es Sorge und Angst, aber keine Panik. Die hatte es am Montag indes gegeben. Nach der Sperrzonen-Ankündigung kam es zum Sturm auf 24-Stunden-Supermärkte. Tags darauf stellt Contes Büro klar: Bewegungen seien weiter erlaubt, wenn es sich um „normale Bedürfnisse“ wie Einkaufen handele.

Mancher Bürger kritisiert die Salami-Taktik der Regierung. Zeitungsverkäufer Mauro Cervone in Rom meint: „Entweder schließt man ganz oder gar nicht. Man macht keine halben Sachen. (...) Sie sollten Maßnahmen wie in China ergreifen.“ Nicht nur das Land ist nämlich de facto nur halb zu, auch Bars und Restaurants dürfen tagsüber ihre Gäste bedienen – wenn der Abstand stimmt.

Nicht nur am gesperrten Petersplatz in Rom zeigt sich der Ausnahmezustand in Italien. Am Montag weitete die Regierung die Maßnahmen gegen die Corona-Krise auf das ganze Land aus.

Nicht nur am gesperrten Petersplatz in Rom zeigt sich der Ausnahmezustand in Italien. Am Montag weitete die Regierung die Maßnahmen gegen die Corona-Krise auf das ganze Land aus.

Foto: dpa/Andrew Medichini

Im Laufe des Tages mehren sich indes die Zeichen, dass die noch drastischeren Maßnahmen von außen kommen: Fluglinien streichen Italien-Flüge. Österreich erschwert die Einreise aus Italien. Deutschland warnt vor Reisen in das Land. Der Ausnahmezustand zieht Kreise.

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