Anschläge in Spanien Wie eine neue Terror-Spur Barcelona mit Belgien verbindet

Brüssel · Hinter Anschlägen in Europa stecken auffällig häufig junge Marokkaner aus dem Drogen-Milieu. Die bisherige „einsame Wölfe“-These wäre damit hinfällig.

Und immer wieder führen Spuren des Terrors nach Belgien. Der mutmaßliche Kopf der katalanischen Terrorzelle, der vermutlich bei der Explosion im Unterschlupf getötete Imam Abdelbaki Es Satty, hatte gute Verbindungen zu Marokkanern in Belgien. Wie belgische Tageszeitungen berichten, hielt er sich im Winter 2016 drei Monate im flandrischen Landesteil auf, predigte an Moscheen und suchte Arbeit. Er verschwand aber am 8. März letzten Jahres spurlos. Exakt zwei Wochen vor den Selbstmordanschlägen auf die U-Bahn in Brüssel sowie auf den Flughafen Zaventem, bei denen 35 Menschen ums Leben kamen.

Während der Bürgermeister der Gemeinde Vilvoorde etwa 30 Kilometer östlich von Brüssel, Hans Bonte, den Aufenthalt Es Sattys in der Presse bestätigte, leitete das belgische Innenministerium eine Untersuchung zu der Verbindung ein. Bislang galt der aus Marokko stammende Es Satty offiziell nicht als Verdächtiger im Zusammenhang mit den Anschlägen 2016 in Belgien. Doch dies ist nicht die einzige Terror-Spur, die Belgien mit Nordspanien verbindet.

Fahnder gingen lange davon aus, dass viele der meist jugendlichen Täter – ob in Belgien oder in Barcelona – aus persönlicher Perspektivlosigkeit und ohne Anbindung an einschlägige Netzwerke aktiv wurden. Sie galten als „einsame Wölfe“. Doch inzwischen gibt es handfeste Zweifel, ob dies stimmt. Vielmehr verdichten sich die Hinweise, dass es enge Verbindungen zwischen Drogenbanden mit Wurzeln in Marokko und islamistischen Terrornetzwerken gibt.

Der Prediger Es Satty etwa, der als Drahtzieher der Anschläge in Katalonien gilt, saß vor einigen Jahren in Spanien wegen Drogendelikten im Gefängnis. Sein Name tauchte bereits 2004 nach den Anschlägen von Madrid auf. Ihm zugeschriebene Dokumente wurden im Haus des Hauptverdächtigen gefunden. Bei auffällig vielen Anschlägen, die zuletzt in Frankreich, Belgien und Spanien verübt wurden, waren marokkanischstämmige Belgier aus der Drogenszene beteiligt. Prominentes Beispiel ist auch Salah Abdeslam. Der junge Mann aus dem Brüsseler Stadtteil Molenbeek betrieb in dem Viertel ein Cafe, das als Drogenumschlagplatz polizeibekannt war, bevor er bei den Anschlägen im November 2015 in Paris auf das Bataclan-Theater und mehrere Cafes als Drahtzieher in Erscheinung trat. Als Kopf einer Gruppe, die 130 Menschen tötete.

Der belgische Ethnologe Johan Leman, der die Strukturen im Brüsseler Stadtteil Molenbeek studiert hat, verweist auf gewachsene Verbindungen zwischen den Marokkanern Molenbeeks und Nordspaniens. Viele von ihnen stammten aus der gleichen Region in Marokko. Sie kommen demnach aus dem Rif-Gebirge, der Hochburg der marokkanischen Hanf-Produktion, wo seit Jahrzehnten die organisierte Kriminalität das Sagen hat. Unter Marokkanern aus Belgien sei es nicht unüblich, auf der Reise nach Marokko in Nordspanien Station zu machen und Verwandte und Freunde zu besuchen.

Leman spricht von einer „Drogen-Achse“, die sich vom marokkanischen Rif-Gebirge über den Großraum Barcelona nach Frankreich erstrecke. Dort teile sie sich in einen Strang, der ins südfranzösische Marseille geht und einen weiteren Strang, der über Paris und Nordfrankreich in der belgischen Hauptstadt endet. Auf dieser Achse würden Drogen und Waffen gehandelt. Es gebe verstärkt Hinweise, dass aus den Gewinnen des Drogenhandels der Terror finanziert werde.

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