Von der Leyen und Vetsager an Spitze von EU-Kommission Frauen-Power für Europa

Brüssel · Zwei Tage bevor sich Ursula von der Leyen vergangene Woche in Straßburg der Abstimmung der 747 Europaabgeordneten stellte, lud sie in Brüssel Journalisten zu einem Treffen. Es war gleich in doppeltem Sinne ungewöhnlich.

Zum einen der Termin, ein Sonntag. Zum anderen die Zusammensetzung der Runde: Von der Leyen traf sich mit einer exklusiv weiblichen Runde von Journalisten.

Frauen kommunizieren anders als Männer. Von der Leyen ist eine Kommunikationsmaschine. In den sieben Tagen seit ihrer Wahl hat sie allein 25 Radio- und Fernseh-Interviews gegeben. Sie kommuniziert direkt und zu ungewöhnlichen Zeiten. Und sie spielt die Frauen-Karte, noch bevor sie überhaupt zur Kommissionspräsidentin gewählt ist. Sie kündigt an, endlich Ernst zu machen mit der Geschlechter-Parität in der Kommission. „Wir stellen die Hälfte der Bevölkerung, wir wollen unseren fairen Anteil“, fordert sie in ihrer Bewerbungsrede. Wenn sie im obersten Stock des Berlaymont-Gebäudes, wo die Kommission in Brüssel ihren Sitz hat, einzieht, sollen Frauen die gläserne Decke durchbrechen und aufsteigen.

Die grüne Fraktionschefin Ska Keller sitzt anderntags in der ersten Reihe des Parlaments und trägt das T-Shirt mit der Aufschrift „The future is feminist“ (Die Zukunft ist feministisch). Eine 60-jährige Christdemokratin zeigt der Grünen gerade, dass das Projekt auch schon in der Gegenwart funktionieren kann. Es ist ein Stilwechsel, der sich mit von der Leyen an der Spitze der EU-Kommission mit 35 000 Beamten gerade anbahnt: Vorbei die Zeit der älteren Herren. Jean-Claude Juncker, nur drei Jahre älter als von der Leyen, aber doch Vertreter einer ganz anderen Generation mit seiner Mischung aus Gentleman und papihaftem Charmeur, macht Platz für Frauenpower. Es ist die geballte Frauenpower. Von der Leyen hakt sich unter bei der Liberalen Margrethe Vestager, die in ihrer Kommission eine herausgehobene Rolle als Vizechefin spielen soll. Die deutsche Asketin, zierlich, meist in Blazer und Hose, und die fast 20 Zentimeter größere Dänin, die gern auch einmal feiert und einen Hang hat zu bunten Gewändern.

Was heißt es, wenn die Spitze der EU weiblicher wird? Für die Grüne Keller ist es erst einmal eine „simple Frage von Gerechtigkeit“: „Frauen müssen genauso viele Führungsjobs bekommen wie Männer.“ Eine völlig andere Frage sei, ob Frauen an der Spitze dann auch einen anderen Stil pflegen: „Ich hoffe sehr, dass mit ihr an der Spitze der Umgangston verbindlicher und kommunikativer wird und patriarchales Machtgehabe der Vergangenheit angehört.“

Diese Hoffnung ist auch unter Kommissionsbeamten weit verbreitet. So geht ein Stoßseufzer durch die Flure der EU-Gebäude in Brüssel, als klar wird, dass von der Leyen dem ebenso genialen wie menschlich schwierigen deutschen Top-Beamten in der Kommission, Martin Selmayr, zuletzt Generalsekretär der Kommission und engster Vertrauter von Juncker, keinen Platz in ihrem Stab anbieten wird. Selmayr, auch Eisenfaust genannt, verkörpert einen Arbeitsstil, der eher mit Männern in Verbindung gebracht wird. Der Jurist soll intern ein Klima der Angst verbreitet und auf brutale Weise abweichende Meinungen unterdrückt haben. Qualifizierte Beamte, ja selbst Kommissare trauten sich nicht mehr, den Mund aufzumachen, wenn er am Tisch war. Ob das nun ein typisch männlicher Stil ist? Eine EU-Diplomatin: „Das spielt keine Rolle, Hauptsache ist, dass von der Leyen sich auf Personen verlässt, die nicht so unterwegs sind wie er.“

Beide künftig starken Frauen sind Mütter – die Deutsche hat sieben Kinder, die Dänin drei. Sie kennen aus eigener Erfahrung die Zwänge der berufstätigen Mütter. Kinderbetreuung, Teilzeitarbeit, Büroalltag, in dem allzu häufig die hohe zeitliche Präsenz (der Männer) belohnt wird. Hier gegenzusteuern, das sind für von der Leyen und Vestager Selbstverständlichkeiten. In der über weite Strecken männerdominierten Kommission aber eben noch nicht, da gibt es viel Nachholbedarf.

Das kann sich jetzt aber ändern, wenn das Frauen-Power-Duo im November den Dienst antritt.

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