Nach dem Referendum Was passiert nach der Abspaltung Kataloniens von Spanien?

Madrid/Barcelona · Die Lage in der Region spitzt sich weiter zu. Nach dem Referendum soll jetzt die Loslösung vom Königreich kommen. Das will Madrid nicht zulassen.

Gut 700 000 Katalanen protestierten beim Generalstreik in Barcelona für die Unabhängigkeit ihrer Region.

Foto: dpa/Santi Palacios

Die (noch) zu Spanien gehörende Region Katalonien will in den nächsten Tagen gegen den Willen der Zentralregierung ihre Unabhängigkeit erklären – möglicherweise schon am Montag. Im In- und Ausland herrscht große Ungewissheit. Wird die Loslösung tatsächlich vollzogen? Und was passiert danach? Hier einige Antworten auf drängende Fragen:

Was passiert unmittelbar nach einer Unabhängigkeitserklärung?

Das ist völlig ungewiss. Fest steht, dass es nicht von heute auf morgen ein neues Land mit allem drum und dran geben wird. Das vom Parlament in Barcelona verabschiedete „Abspaltungsgesetz“ sieht unter anderem die Ausarbeitung einer Verfassung sowie Parlamentswahlen innerhalb eines Jahres vor. Die Liste der Aufgaben wäre sehr, sehr lang: Man müsste unter anderem eine eigene Währung schaffen und Geld sowie Millionen Reisepässe drucken. Katalonien hat keine eigene Armee und als Autonome Gemeinschaft nur eine eigene Polizeieinheit.

Wird die Regierung in Madrid dabei tatenlos zusehen?

Das ist sehr unwahrscheinlich. Justizminister Rafael Catalá warnt, Madrid werde „alle zur Verfügung stehenden Mittel“ einsetzen, um eine Abspaltung zu verhindern. In aller Munde ist „Artículo 155“. Diese Zeilen der Verfassung, fast eine Kopie von Artikel 37 des deutschen Grundgesetzes, erlauben der Regierung das Eingreifen in einer Region, deren Machthaber gegen Bestimmungen der Verfassung verstoßen. Notfalls mit Gewalt. Die Generalstaatsanwalt schloss eine Festnahme des katalanischen Regierungschefs Carles Puigdemont nicht aus.

Droht sogar ein Bürgerkrieg?

Eine bewaffnete Auseinandersetzung größeren Ausmaßes hielt bisher in Spanien eigentlich niemand für möglich. Aber die Angst nimmt seit Tagen rapide zu. Der angesehene Kolumnist Lluís Bassets schrieb in der Renommierzeitung „El País“ nach den Gewaltszenen beim Referendum vom Sonntag, in Spanien würden Erinnerungen an den Bürgerkrieg von 1936 bis 1939, an „die schlimmsten Jahre unserer Geschichte“, plötzlich wieder wach. Fermín Bocos, schon als bester Journalist Spaniens ausgezeichnet, zog vorige Woche Vergleiche mit der Revolution von 2014 in der Ukraine.

Gibt es denn noch Hoffnung auf eine friedliche Lösung?

Puigdemont hat bis zuletzt betont, er würde eine internationale Vermittlung zum Beispiel durch die EU sofort akzeptieren. „Wenn man mich anruft, fahre ich sofort hin.“ Eine Vermittlung sei dringend nötig. Madrid lehnt diese aber ab. Man könne mit Gesetzesbrechern nicht verhandeln. Zudem stehe die Einheit Spaniens nicht zur Debatte. In Brüssel hält man sich noch heraus.

Wovor haben die Spanier Angst?

Bei einer Abspaltung Kataloniens würde das Land ein Gebiet mit 7,5 Millionen Einwohnern und ein Fünftel seiner Wirtschaftskraft verlieren. Gemäß „Abspaltungsgesetz“ wollen sich die Katalanen nach der Unabhängigkeitserklärung auch den Besitz des spanischen Staates in der Region aneignen. Menschen „auf der Straße“ fürchten, dass das Zusammenleben heftig in Mitleidenschaft gezogen wird. Viele Katalanen wohnen in Madrid, in Katalonien gibt es viele Spanier aus anderen Regionen. Schon jetzt gibt es Mobbing am Arbeitsplatz.