Überraschende Entscheidung Warum Trump die USA dicht macht

Washington · Der US-Präsident setzt die Einwanderung in die USA aus. Als Grund nennt er den „Angriff des unsichtbaren Feindes“. Doch darum geht es nicht allein.

Sehnsüchtiger Blick durch den Zaun an der mexikanischen Grenze zu den USA: Präsident Trump will die Einwanderung in sein Land vorläufig noch restriktiver handhaben als zuvor. Als Grund führt er das Coronavirus an.

Sehnsüchtiger Blick durch den Zaun an der mexikanischen Grenze zu den USA: Präsident Trump will die Einwanderung in sein Land vorläufig noch restriktiver handhaben als zuvor. Als Grund führt er das Coronavirus an.

Foto: dpa/Eduardo Jaramillo

Die Ankündigung kam, wie so oft bei Donald Trump, über den Kurzmitteilungsdienst. Im Lichte des Angriffs eines unsichtbaren Feindes – gemeint war das Coronavirus – und der Notwendigkeit, die Jobs „unserer großartigen amerikanischen Bürger“ zu schützen, werde er die Einwanderung in die USA per Exekutiv-Order aussetzen, schrieb der Präsident. Noch nie in ihrer Geschichte haben die Vereinigten Staaten beschlossen, zeitweise keine Migranten mehr ins Land zu lassen. Selbst im Jahr 1918, als die Spanische Grippe grassierte – in gewisser Weise vergleichbar mit der Corona-Pandemie – durften noch 110 000 Neuankömmlinge amerikanischen Boden betreten.

Details nannte Trump am späten Montagabend, als er den Tweet in die Welt setzte, noch nicht. Der Vorstoß kam insofern überraschend, weil er noch Stunden zuvor, auf einer seiner täglichen Pressekonferenzen, kein Wort darüber verloren hatte. Im Heimatschutzministerium, dessen Juristen die Paragrafen des Dekrets auszuformulieren haben, soll man auf dem falschen Fuß erwischt worden sein, berichtet die Washington Post. Als ein Redakteur des Online-Magazins Politico, spezialisiert auf Insider-Informationen aus Regierung und Parlament, dort nach den Gründen für einen derart drastischen Schritt fragte, bekam er zur Antwort: „22 Millionen arbeitslose Amerikaner, und bald womöglich noch mehr.“

Im Kern, so ist bei Politico zu lesen, sollen Ausländer bis auf Weiteres keine Visa mehr beantragen dürfen, die es ihnen ermöglichen, in den USA zu arbeiten und zu leben. Womöglich werde es Ausnahmen geben, etwa für Saisonarbeiter, die in der Landwirtschaft dringend gebraucht werden und die etwa ein Zehntel aller auf amerikanischen Farmen Beschäftigten ausmachen. Auch für Ärzte und Krankenpfleger werde vielleicht eine Sonderregelung gefunden, insbesondere dann, wenn sie Corona-Kranke betreuen sollen. Allerdings scheint sich auch bei den Ausnahmen ein restriktiverer Kurs abzuzeichnen. Noch im März hatte das Homeland-Security-Ressort 35 000 zusätzliche H-2B-Visa, gedacht für außerhalb des Agrarsektors tätige, vorübergehend in die USA geholte Arbeitnehmer, in Aussicht gestellt. Zusätzlich zu den 66 000, die pro Jahr maximal ausgestellt werden können. Nachdem die Arbeitslosigkeit astronomische Ausmaße angenommen hat, ist davon keine Rede mehr.

Die Opposition sieht indes einen Präsidenten am Werk, der seinen alten Abschottungsinstinkten folgt, der eine Pandemie nutzt, um seine nationalistische Agenda durchzusetzen. Einen Präsidenten, der in einem Wahljahr fremdenfeindliche Emotionen zu schüren versucht und eigene Versäumnisse nachträglich durch scheinbar entschlossenes Handeln vergessen machen möchte. Jerry Nadler, der Demokrat aus New York, der den Justizausschuss des Abgeordnetenhauses leitet, spricht von einem leicht zu durchschauenden Täuschungsmanöver. Trump versuche von seiner unbeholfenen Antwort auf Covid-19 abzulenken, indem er Migranten den Schwarzen Peter zuschiebe. Tatsächlich, so Nadler, stünden etliche dieser Migranten in vorderster Linie des Kampfes gegen die Epidemie, seien es Ärzte, Krankenpfleger oder Landarbeiter. Das konservative Netzwerk Numbers USA spendet dem Präsidenten dagegen Applaus. Wenn Millionen von Amerikanern nicht arbeiten könnten, obwohl sie es wollten, sei es in den meisten Fällen nicht sinnvoll, Zuzüglern die Tore zu öffnen. Würde man es dennoch tun, wäre es eine „kaltschnäuzige Missachtung“ derer, die wirtschaftlich so schwer unter der Krise zu leiden hätten.

Bereits Ende Januar hatte Trump einen Einreisestopp aus China verfügt. Es war ein Schritt, von dem er heute sagt, er habe vielen Menschen das Leben gerettet, während ihm Kritiker vorhalten, den gesamten Februar über durch die Verharmlosung der Gefahr wertvolle Zeit verspielt zu haben. Mitte März folgte ein „Travel Ban“ für Staatsangehörige aus dem europäischen Schengen-Raum. An der mexikanischen Grenze wiederum werden illegal Einwandernde, Asylbewerber eingeschlossen, mittlerweile umgehend zurückgeschickt, falls sie von den Patrouillen der Border Patrol aufgegriffen werden.

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