Wahlsieg durch Mette Frederiksen Dänemark als Lichtblick in der Krise der Sozialdemokratie

Kopenhagen · Mette Frederiksen dürfte nach ihrem Wahlsieg Regierungschefin in Kopenhagen werden. Davon können viele europäische Schwesterparteien nur träumen.

 Strahlende Wahlsiegerin in Dänemark: die Sozialdemokratin Mette Frederiksen.

Strahlende Wahlsiegerin in Dänemark: die Sozialdemokratin Mette Frederiksen.

Foto: dpa/Liselotte Sabroe

Der Ausgang der Parlamentswahl in Dänemark ist ein Lichtblick für die anderswo ebenso kriselnde wie gebeutelte Sozialdemokratie. Stärkste Kraft bei der Wahl mit fast 26 Prozent der Stimmen, eine zufrieden strahlende Wahlsiegerin, die künftig das politische Sagen beim nördlichen deutschen Nachbarn haben dürfte. Den dänischen Genossen um die Vorsitzende Mette Frederiksen ist damit etwas gelungen, wovon die SPD und viele ihrer Parteikollegen in Europa nur träumen können: Sie haben eine Wahl gewonnen.

Dazu kommt die Aussicht auf eine erfolgreiche Regierungszeit – trotz des überraschend guten Abschneidens der liberalen Partei von Ministerpräsident Lars Løkke Rasmussen (23,4 Prozent). Denn: Der von Frederiksens Partei angeführte sogenannte rote Block kommt dank der Zugewinne anderer linksgerichteter Parteien auf eine Mehrheit von 91 Parlamentssitzen, Løkkes blauer Block auf nur 75. Frederiksen strebt nun eine bei linken wie rechten Themen manövrierfähige Minderheitsregierung an.

Die Lage der Sozialdemokraten in Europa könnte widersprüchlicher nicht sein: hier ein weiterer Sieg in Skandinavien, dort der völlige Verlust der Kernwählerschaft. Besonders dramatisch war der Niedergang in den vergangenen Jahren in Frankreich, den Niederlanden und Griechenland, wo die Sozialdemokraten unter zehn Prozent rutschten.

„Die Sozialdemokratie in Europa tut sich schwer, weil sie den Umstieg von der Partei des Industriezeitalters zur globalisierten und digitalisierten Welt nicht geschafft hat“, sagt der Politikwissenschaftler Uwe Jun von der Uni Trier. Viele Gruppen der Gesellschaft fühlten sich von ihr nicht mehr angesprochen. „Viele sozialdemokratische Parteien in Europa sind in einer Identitätskrise.“

Dass den Genossen die Wähler davonlaufen, liegt nach Auffassung von Jun unter anderem an ihrer Haltung zur Einwanderung. „Während die Parteiführungen bei den Sozialdemokraten der Migration eher positiv gegenüberstehen, standen Teile ihrer Wähler dem kritisch gegenüber, weil sie darin aus kulturellen und ökonomischen Gründen eine Gefahr sehen.“ Deshalb hätten sich viele von den Sozialdemokraten abgewandt.

Ein konkretes Gegenbeispiel fand sich am Mittwoch in Dänemark: Dort verfolgen die Sozialdemokraten eine strenge Migrationsstrategie, womit sie viele ihrer Stammwähler aus der Arbeiterklasse von den Rechtspopulisten zurückholen konnten. Das Resultat: der Wahlsieg und der Absturz der rechtspopulistischen Dänischen Volkspartei auf 8,7 Prozent – nach 21,1 Prozent 2015.

Ein anderer Grund für die anderswo herrschende sozialdemokratische Krise ist nach Ansicht Juns die Klimapolitik. „Die Sozialdemokraten haben die Klimaproblematik unterschätzt und darauf keine Antworten gegeben.“ Auch damit hätten sie Wähler an die Parteien verloren, die diese Themen besetzten, zuletzt bekamen die Grünen bei der Europawahl deshalb so viele Stimmen wie noch nie. In Dänemark fanden die Sozialdemokraten ebenfalls Antworten zu diesem Thema. „Ihr habt diese Wahl zu der ersten Klimawahl in der Geschichte Dänemarks gemacht“, rief Frederiksen der jungen Generation in der Wahlnacht zu. „Wenn der Wähler erkennt, dass er eine Antwort auf seine Probleme bekommt, ist er auch wieder bereit, einer sozialdemokratischen Partei seine Stimme zu geben“, sagt Jun.

Die Niederländer haben den Abwärtstrend offenbar stoppen können, indem sie sich stärker positionierten. Die Partei der Arbeit war bei der Parlamentswahl 2017 mit nur 5,7 Prozent zur Splitterpartei reduziert worden. Bei der EU-Wahl errang die einstige große Volkspartei jedoch plötzlich wieder fast 19 Prozent der Stimmen und wurde stärkste Kraft des Landes. Damit hatte keiner gerechnet. Der Sieg bei der Europawahl wird vor allem dem „Timmermans-Effekt“ zugeschrieben. Der Spitzenkandidat von Europas Sozialdemokraten, Frans Timmermans, punktete mit klaren inhaltlichen Forderungen für ein soziales und grünes Europa.

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