Anschlag in Barcelona Viele kleine Altäre für die Terror-Opfer

Barcelona · Barcelona trauert nach dem Lieferwagen-Anschlag. Die verantwortliche Terror­zelle ist fast zer­­schlagen – nur der mutmaßliche Todesfahrer fehlt noch.

 Tiefe Trauer herrscht in der katalanischen Hauptstadt Barcelona: Hier stellt ein Mädchen eine Kerze für die Opfer des Terroranschlags auf.

Tiefe Trauer herrscht in der katalanischen Hauptstadt Barcelona: Hier stellt ein Mädchen eine Kerze für die Opfer des Terroranschlags auf.

Foto: dpa/Emilio Morenatti

Durch die Passionspforte strömen die Gläubigen, das spanische Königspaar schreitet durch das Geburtsportal in Barcelonas berühmtestes Gotteshaus. In der imposanten Sagrada Familia gedenken die Menschen am Sonntag der Opfer der Terroranschläge in Katalonien. Felipe VI. und seine Frau Letizia sitzen im Chor, Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy und Barcelonas Bürgermeisterin Ada Colau in den vorderen Reihen. In den Seitenschiffen und auf den Emporen aber bleiben Plätze leer – viele haben wohl zu spät von dem kurzfristig angesetzten Gottesdienst erfahren.

Doch zur Trauer bedarf es in Barcelona keiner Kirchenmauern. Seit ein Attentäter am Donnerstag mit einem Lieferwagen 13 Menschen tötete und rund 120 verletzte sind am Tatort, der Flaniermeile Las Ramblas, spontan kleine Altäre auf dem Pflaster entstanden. Die Menschen zünden im Gedenken an die Toten immer neue Kerzen an. Ein wahres Blumenmeer bedeckt die Stelle, wo ein Mosaik des Künstlers Joan Miró in den Boden eingelassen ist. Dort hatte der Fahrer des Todeswagens gestoppt.

Derweil ist es 100 Kilometer entfernt, im katalanischen Bergdorf Ripoll, mit der Ruhe vorbei: Die Polizei belagerte die letzten Tage das Dorf, in dem jene Terrorzelle heranreifte, die in Barcelona und dem Ferienort Cambrils Anschläge verübte. Häuser werden durchsucht. Auch jene Wohnung, wo der Imam wohnte, der die jungen Männer mit Hassbotschaften aufgehetzt haben soll – und der nun verschwunden ist. Der Prediger Abdelbaki es Satty wird als möglicher Kopf der Terrorzelle angesehen, der wenigstens zwölf islamistische Fundamentalisten im Alter von 17 bis 34 Jahren angehörten. Alle sind marokkanischer Abstammung.

Der mutmaßliche Fahrer des Terrorfahrzeugs von Barcelona, der 22-jährige Younes Abouyaaqoub, konnte nach der Tat flüchten. Genauso wie der 17-jährige Moussa Oukabir, der zunächst von der Polizei verdächtigt worden war, den Terrorwagen gesteuert zu haben, was jetzt aber weitestgehend ausgeschlossen wird. Moussa Oukabir gehört zu jenen fünf Terroristen, die am Freitagmorgen in Cambrils von der Polizei erschossen wurden. Genauso wie seine aus Ripoll stammenden Freunde Mohamed Hychami, Omar Hychami, Said Aallaa und Houssaine Abouyaaqoub, die gleichfalls, nachdem sie in Cambrils mit Messern auf Beamte und Passanten losgingen, durch Polizeischüsse getötet wurden.

Zudem wurden drei weitere mutmaßliche Gesinnungsgenossen in Ripoll festgenommen. Driss Oukabir, Mohamed Aallaa und Salh El Karib. Sie alle formten eine Terrorzelle. Ihre radikalen Ansichten verbargen sie gut, auch wenn sie in einschlägigen Hass-Foren im Internet Spuren hinterließen: Inzwischen weiß man, dass Moussa Oukabir schon vor zwei Jahren in einem sozialen Netzwerk seinen größten Wunsch geäußert hatte: „Ich möchte so viele Ungläubige wie möglich töten.“

In Ripoll brütete die Gruppe ihren heimtückischen Terrorplan aus, der ursprünglich vorsah, drei Lieferwagen mit mächtigen Sprengsätzen zu versehen und in Barcelona sowie möglicherweise an anderen belebten Tourismushochburgen in der nordspanischen Region Katalonien zu zünden. Nachdem am Mittwoch ihre Bombenwerkstatt im Keller eines Hauses, im 200 Kilometer von Ripoll entfernten Küstenort Alcanar in die Luft flog, beschlossen sie einen Plan B: die mörderische Fahrt über die Flaniermeile Rambla in Barcelona am Donnerstagnachmittag; und einen ähnlichen Terrorangriff am Freitagmorgen im Badeort Cambrils, bei dem sie aber von der Polizei gestoppt und fünf Terroristen erschossen wurden.

Zwei weitere starben bei der Explosion der Bombenwerkstatt in Alcanar. Vier wurden in Ripoll und Alcanar festgenommen. Aber einer fehlt noch: Der mutmaßliche Todesfahrer Younes Abouyaaqoub. Allerdings konnte Polizeichef Josep Lluis Trapero gestern nicht bestätigen, dass Abouyaaqoub den Lieferwagen tatsächlich gesteuert hat.

Zumindest erklärten die Sicherheitskräfte gestern via Twitter, es gebe eine neue Spur. „Wir sind sehr nah an einer Person dran, die mit beiden Attentaten in Verbindung steht.“ Welche Rolle die Person genau gespielt haben könnte, blieb zunächst offen.

(dpa)
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