Weltklimakonferenz in Madrid Viel Stillstand auf dem Klimagipfel

Madrid · „Zeit zu handeln“: Dieses Motto war auf der Klimakonferenz überall zu lesen, aber die Staaten enttäuschten die hohen Erwartungen vor allem der jungen Menschen.

 Offensiv wurde in Madrid für die Weltklimakonferenz geworben. Doch das Motto „Time for action“ – „Zeit zu handeln“ – wurde enttäuscht. So sahen es vor allem junge Aktivisten.

Offensiv wurde in Madrid für die Weltklimakonferenz geworben. Doch das Motto „Time for action“ – „Zeit zu handeln“ – wurde enttäuscht. So sahen es vor allem junge Aktivisten.

Foto: dpa/Manu Fernandez

(dpa) Das Jahr der großen Klimaproteste endet mit einer bitteren Enttäuschung für Fridays for Future – und für alle, die dachten, dass Klimaschutz jetzt überall ganz oben auf der Agenda steht. Handelt jetzt, schnell und entschieden, lauter hätte der Ruf vor allem junger Klimaaktivisten kaum sein können auf dem UN-Klimagipfel in Madrid. Greta Thunberg und ihre Mitstreiter waren überall zu sehen und zu hören, wurden in fast jeder Rede genannt und gelobt. Erhört wurden sie nicht.

Zwar einigten sich die knapp 200 Länder nach Marathonverhandlungen und einer Rekord-Verlängerung von mehr als 40 Stunden auf eine gemeinsame Abschlusserklärung – und selbst das war lange unklar. Sie wurde aber am Sonntag von den übermüdeten Klimadiplomaten mit sehr spärlichem Applaus begrüßt. Zu viel war in den vergangenen Tagen und Nächten passiert – und doch zu wenig. Andere Einigungen, die wichtig gewesen wären, wurden vertagt. Entsprechend groß ist der Frust – aber er war absehbar. Denn in Madrid sind zwei Welten aufeinandergeprallt.

Da ist die Welt der Klimaschutzbewegung, die mit Fridays for Future so laut, fordernd und wütend ist wie nie zuvor. Thunberg hat für diese Konferenz gleich zwei Mal den Atlantik überquert, Stürmen und Seekrankheit getrotzt – weil die junge Schwedin auch persönlich ein Zeichen setzen will gegen die massiven CO2-Emissionen von Flugzeugen. Beim Klimagipfel in Madrid wurde sie als Star gefeiert.

Und da ist die Welt der mühsamen Klima-Weltpolitik, wo um die winzigste Formulierung tagelang gestritten wird, wo fast 200 Staaten mit denkbar unterschiedlichen Interessen an einem Strang ziehen und am Ende halbwegs einstimmig entscheiden sollen. Und das in Zeiten von Präsidenten wie Donald Trump in den USA oder Jair Bolsonaro in Brasilien. „Die Geopolitik spielt hier schon eine Rolle“, sagt ein Verhandler vorsichtig.

Dass die Konferenz am Sonntag mit zwei Tagen Verspätung endet, lässt erahnen, was in den Verhandlungsräumen los war. Optimismus wich am Wochenende blank liegenden Nerven und tiefen Augenringen. Die chilenische Konferenzleitung – Madrid war nur wegen der Unruhen in dem südamerikanischen Land kurzfristig als Gastgeber eingesprungen – wirkte immer wieder überfordert, machte strategische Fehler, technische Probleme führten zu Chaos in der Abschlusssitzung.

Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) gab sich am Ende bescheiden. „Leider werden die Ergebnisse den dringend nötigen Fortschritten beim Klimaschutz nicht gerecht“, sagte sie. „Ich bin aber froh, dass wir alle Versuche abwehren konnten, das Pariser Klimaschutzabkommen aufzuweichen.“ Die Heerschar der Klima- und Umweltverbände zeigte sich vom mageren Ergebnis dagegen schlicht entsetzt. Auch UN-General António Guterres äußerte sich „enttäuscht“ über eine verpasste wichtige Gelegenheit. „Aber wir dürfen nicht aufgeben“, mahnte er.

Um was ging es überhaupt? Um Regeln für den internationalen Handel mit Klimaschutz-Gutschriften – er soll Industriestaaten ermöglichen, ihre Ziele fürs Einsparen von Treibhausgasen teilweise im Ausland zu erreichen, sprich: sich Klimaschutz anderswo zu kaufen. Dazu gelang keine Einigung. Nicht nur die Bundesregierung hatte die Haltung vertreten: Hier lieber gar nichts machen, als es schlecht zu machen. „Der Angriff auf die Integrität des Pariser Abkommens ist abgewehrt worden“, lobt auch Klimapolitik-Experte Christoph Bals von Germanwatch.

Wie immer ging es auch ums Geld. Hurrikans, Starkregen und Dürren haben auch in diesem Jahr vielen ärmeren Ländern wieder schwer zugesetzt. Viele von ihnen zeigten sich zum Abschluss schwer enttäuscht – Optimisten glauben aber, dass Schäden durch Extremwetter, die der Klimawandel verstärkt, in Folge der diesjährigen Beschlüsse in Zukunft eine deutlich größere Rolle spielen können.

Und der Klimaschutz an sich? Das war das wohl größte Problem dieser Konferenz, jedenfalls für ihre Außenwirkung. Denn mit dem Pariser Klimaabkommen hat die Weltgemeinschaft 2015 nicht nur das Ziel vereinbart, die Erderhitzung auf deutlich unter zwei und möglichst auf 1,5 Grad zu begrenzen. Es gibt auch einen Fahrplan. Und der sieht vor, dass alle fünf Jahre die nationalen Klimaschutz-Pläne aktualisiert werden – beginnend 2020. Und nicht 2019. Was das Pariser Abkommen wert ist, erfährt die Welt im nächsten November in Glasgow.

Wie ein Leuchtturm strahlte in den Verhandlungen der „Green Deal“ aus Brüssel. Die Hoffnungen der Klimaschützer liegen jetzt auf dem kommenden Jahr – darauf, dass die EU das Ziel, 2050 unterm Strich keine Treibhausgase mehr auszustoßen, mit Leben füllt, dass sie bei ihrem 2030-Ziel ordentlich was drauflegt, dass sie andere große Staaten dabei mitnimmt. Greta Thunberg hat schon angekündigt, auf keinen Fall Ruhe zu geben.

 Die Konferenzleitung um Chiles Umweltministerin Carolina Schmidt wirkte oft überfordert.

Die Konferenzleitung um Chiles Umweltministerin Carolina Schmidt wirkte oft überfordert.

Foto: AP/Bernat Armangue
 Ihren Heimweg aus Madrid musste Greta Thunberg im völlig überfüllten ICE antreten.

Ihren Heimweg aus Madrid musste Greta Thunberg im völlig überfüllten ICE antreten.

Foto: AP/Paul White

Zunächst aber machte sie sich auf den Heimweg in die schwedische Heimat – natürlich mit der Bahn. Auf ihrer Fahrt durch Deutschland twitterte sie am Samstag von „überfüllten Zügen“. Dazu stellte die 16-Jährige ein Foto, das sie mit viel Gepäck auf dem Boden eines ICE zeigt. Ihr Zug von Basel aus sei ausgefallen, weshalb sie in zwei verschiedenen Zügen auf dem Boden gesessen habe, erklärte Thunberg später. Hinter Göttingen habe sie schließlich einen Sitzplatz erhalten – nach Angaben der Bahn in der Ersten Klasse. Dass sie zuvor ziemlich unkomfortabel gessesen hatte, sah die Aktivistin sogar positiv: Überfüllte Züge seien „ein großartiges Zeichen, weil das bedeutet, dass die Nachfrage nach Bahnreisen groß ist“, schrieb sie.

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