Verfassungsreform in Russland „Superpräsident“ Putin soll bleiben

Moskau · Mit der größten Verfassungsänderung der russischen Geschichte stellt das Parlament die Weichen, damit der Kremlchef die Macht über 2024 hinaus behält.

 Wenn das Volk am 22. April zustimmt, darf Wladimir Putin auch über 2024 hinaus Präsident bleiben.

Wenn das Volk am 22. April zustimmt, darf Wladimir Putin auch über 2024 hinaus Präsident bleiben.

Foto: AP/Pavel Golovkin

Der Weg für einen „Superpräsidenten“ Wladimir Putin in Russland ist nun fast frei. Der 67-Jährige äußerte sich bei einer Rede zur größten Verfassungsänderung der russischen Geschichte am Dienstag erstmals zu seiner Zukunft. Das Land brauche einen starken Manager in Krisenzeiten. Und er zeigte sich bereit, über 2024 hinaus als Präsident zu arbeiten. Laut aktueller Verfassung wäre dann eigentlich Schluss gewesen für ihn. Doch die Abgeordneten – mit Ausnahme der Kommunisten – beschlossen nun im Eiltempo eine neue Verfassung.

Der Präsident erhält damit bisher nie gekannte Machtbefugnisse. Und weil es praktisch ein neues Amt eines „Superpräsidenten“ ist, soll auch Putin die Chance haben, sich darauf zu bewerben. Seine bisherigen vier Amtszeiten seit 2000 werden nicht gezählt, wie das Parlament nach einem Vorschlag der Abgeordneten Valentina Tereschkowa beschloss.

Die 83-Jährige, die erste Frau im Weltall, hatte einen denkwürdigen Auftritt, als sie Putin als Dauerpräsident empfahl. Seit Wochen diskutiere Russland über die neue Verfassung, es gebe viele Ideen – und immer wieder die Frage, wer das Land künftig führe. Und dann ihr Vorschlag, alle künstlichen Konstrukte einer möglichen Machtsicherung Putins für die Zukunft zu vergessen – und der Wahrheit ins Gesicht zu schauen. Niemand sei so gut wie Putin auf dem Posten.

Wenig später eilte Putin zu einer Dankesrede in die Duma: Ja, auch er habe in den vergangenen Wochen bei Reisen immer wieder den Wunsch der Menschen gespürt, dass er künftig die Geschicke des Landes weiter führe. Viele dieser Treffen mit handverlesenen Putin-Fans übertrug das Staatsfernsehen. „Mit gefällt meine Arbeit“, sagte Putin einmal. Das Amt des Präsidenten sei sein „Schicksal“. Kritische Stimmen gab es keine. Zwar sagte Putin in seiner Duma-Rede, dass Russland irgendwann einen Präsidenten brauche, bei dem sich weniger um die Person drehe. Aber eben noch nicht jetzt. Bleiben soll aber nach seiner Einschätzung die Begrenzung auf maximal zwei Amtszeiten – für künftige Staatschefs.

Putin warb einmal mehr dafür, die Verfassung bei der Volksabstimmung am 22. April anzunehmen. Nur dann trete sie auch in Kraft. Erstmals enthalten sind beispiellose soziale Garantien wie regelmäßige Rentenanpassungen und der Anspruch auf einen Mindestlohn. Auch die russisch-orthodoxe Kirche, seine wichtige Machtstütze, erhält jede Menge Zugeständnisse. Neben dem nun erstmals erwähnten „Glauben an Gott“ wird etwa die Ehe als Bündnis zwischen Mann und Frau festgeschrieben.

Entstanden ist nun eine konservative Verfassung, die nach Meinung etwa der Zeitung „Wedomosti“ erstmals auch massive Eingriffe des Staates in das Privatleben der Menschen erlaubt. Viele der Vorschläge stammen von einer Arbeitsgruppe. In ihr hatten Sportler, Künstler, Raumfahrer und Wissenschaftler mitgewirkt, die wenigsten von ihnen mit juristischem Sachverstand.

Während vor allem Putins treu ergebene Abgeordnete im Parlament am Anfang noch beteuerten, dass es 2024 auf jeden Fall einen neuen Präsidenten geben werde, sprachen am Dienstag viele nur noch davon, dass Putin keine „lahme Ente“ sei. Der Kremlchef hatte zuletzt selbst gesagt, dass er nach all den Jahren an der Macht festgestellt habe, dass es hier und da für den mächtigsten Mann im Staat glatter laufen könnte. Daher die neuen Vollmachten.

Die Opposition kritisiert seit Wochen, dass Putin die Verfassungsänderung für seine Operation Machterhalt missbrauche. Kremlgegner werfen ihm einen „Staatsstreich“ vor. Menschenrechtler, darunter Prominente wie Lew Ponomarjow und Swetlana Gannuschkina, sprachen von einem „Verfassungsumsturz“. Auch Oppositionspolitiker wie Alexej Nawalny und im Exil Michail Chodorkowski forderten die Bevölkerung auf, am 22. April gegen die Verfassungsänderung zu stimmen.

Eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Lewada ergab zuletzt noch kein klares Bild: viel Ablehnung, aber auch viel Zustimmung – vor allem aber viel Unentschlossenheit.

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