Umstrittenes Ukraine-Telefonat Trump sucht den geheimnisvollen Whistleblower

Washington · Es ist ein Rätsel, das so bald nicht gelöst werden dürfte, es sei denn, Donald Trump bekommt seinen Willen. Um wen es sich handelt bei dem Whistleblower, der aufdeckte, wie der US-Präsident die Ukraine zur Hilfe für seinen Wahlkampf zu drängen versuchte, soll nach dem Willen der Opposition unter keinen Umständen publik werden.

 US-Präsident Donald Trump will seinem „Ankläger“ Auge in Auge gegenübertreten.  Foto: Evan Vucci/AP

US-Präsident Donald Trump will seinem „Ankläger“ Auge in Auge gegenübertreten. Foto: Evan Vucci/AP

Foto: dpa/Evan Vucci

Die New York Times beschreibt ihn als männlichen CIA-Analysten, der zeitweise dem Weißen Haus zugeteilt war. Anderen Berichten zufolge könnte es eine Frau gewesen sein, die Alarm schlug. Fest steht nur: Der Rechtsbeistand der anonymen Person hat Polizeischutz angefordert, weil er sich um die Sicherheit seines Mandanten beziehungsweise seiner Mandantin sorgt.

Jüngste Kommentare des Präsidenten hätten solche Sorgen nur noch verstärkt, schrieb Andrew Bakaj in einem Brief an Joseph Maguire, den kommissarisch amtierenden Director of National Intelligence, der die Arbeit der Geheimdienste koordiniert. Anhänger des Präsidenten, so Bakaj, hätten 50 000 Dollar geboten für Hinweise, die dazu führen, dass der Name publik wird. Trump selbst twitterte, er verdiene es, seinen „Ankläger“ persönlich zu treffen, zumal dieser eine „perfekte“ Unterredung auf so verlogene Art wiedergebe. Wenige Tage zuvor hatte Trump vor Mitarbeitern der amerikanischen UN-Vertretung gesagt, er wolle wissen, wer den Whistleblower informiert habe. Diese Person habe praktisch „wie ein Spion“ gehandelt, und mit Spionen und Landesverrat sei man „in den alten Tagen, als wir noch klug waren“, bekanntlich anders umgegangen als heute. Gemeint war die Todesstrafe. Trumps Gegenspieler im Kongress sehen es als verkappten Aufruf zur Gewaltanwendung. Umso eindeutiger beharren sie darauf, die Identität dieser Schlüsselfigur unter Verschluss zu halten.

Im Abgeordnetenhaus sind alle Augen auf Adam Schiff gerichtet, einen ehemaligen Staatsanwalt aus Los Angeles, der seit Januar den Geheimdienstausschuss der Kammer leitet. Er soll, so haben es die Demokraten beschlossen, Regie führen bei den Nachforschungen, die zu einer Abstimmung über eine Amtsenthebung führen sollen. Wann Letzteres der Fall sein wird, ist unklar. Schiff spricht von einem Votum des Repräsentantenhauses noch vor dem Thanksgiving-Fest im November, will aber auch nicht ausschließen, dass es sich bis zum Jahresende hinziehen könnte. Er hat Tempo versprochen, zugleich aber vor einer Verzögerungstaktik der Regierung gewarnt. Bevor beispielsweise der Whistleblower aussagen kann, muss dessen Anwaltsteam die Genehmigung zum Einblick in Top-­Secret-Berichte erhalten. Dazu bedarf es des grünen Lichts des Geheimdienstkoordinators, der sich damit wiederum – auf Weisung von oben – Zeit lassen könnte.

Insgesamt wird in sechs Ausschüssen der Legislative ermittelt. Drei von ihnen (Geheimdienste, Auswärtiges, Regierungskontrolle) wollen bereits diese Woche die ersten Zeugen anhören. Fünf Spitzenbeamte des State Department, aktuelle wie ehemalige, haben Vorladungen erhalten. Sie sollen erhellen, was jenem Telefonat vorausging, bei dem Trump den ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenskij zu Ermittlungen gegen seinen eventuellen Wahlkampfrivalen Joe Biden und dessen Sohn Hunter drängte. Zu klären ist, welche Absprachen Rudy ­Giuliani traf, der Anwalt Trumps, der lange vor dem am 25. Juli geführten Gespräch in Kiew Druck machte. Zu klären ist, ob Giuliani in der Rolle des Schattenaußenministers eine Art private Ukraine-Politik betrieb, gewissermaßen in Konkurrenz zur offiziellen. Zu klären ist schließlich, ob Trump ein vom Parlament genehmigtes Militärhilfepaket im Wert von 391 Millionen Dollar bewusst zurückhielt, weil er Selenskij zappeln lassen wollte, um ihn besser erpressen zu können.

Unter den vorgeladenen Zeugen ist Kurt Volker, der US-Sondergesandte für die Ukraine, der sein Amt am Freitag niedergelegt hat. Aussagen soll auch Marie Yovanovitch, die ihren Botschafterposten in Kiew räumen musste, weil Leute wie Giuliani an ihrer Loyalität gegenüber Trump zweifelten. Außenminister Mike Pompeo wiederum hat bis zum 4. Oktober Dokumente zu liefern, die dazu beitragen sollen, Wissenslücken zu schließen.

Dann wäre da noch der Vorwurf der Vertuschung. Dem Whistleblower zufolge haben etwa ein Dutzend Mitarbeiter im Weißen Haus den Anruf im Juli verfolgt. Die Opposition wird vom Oval Office die Namen der Beteiligten fordern – und notfalls vor Gericht ziehen, falls die Machtzentrale das Ansinnen blockiert. Zudem will sie herausfinden, ob es ein Wortlautprotokoll des Telefonats Trumps mit Selenskij gibt – neben der freigegebenen Version, einer Zusammenfassung, die das Weiße Haus geschönt haben könnte.

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