Umstrittene Neuwahl Kenia steht eine schwere Prüfung bevor

NAIROBI (dpa) Dolphin Anyango ist entschlossen. „Wir werden die Wahl boykottieren“, sagt die junge Frau. „Wir wollen, dass das Oberste Gericht auch diese Wahl annulliert.“ Dass es in ihrer Nachbarschaft Kibera bald ungemütlich wird, ist der 35-Jährigen klar. Der Slum in der kenianischen Hauptstadt Nairobi ist oft Brennpunkt von Protesten und blutigen Zusammenstößen mit der Polizei. Denn Kibera ist eine Hochburg der Opposition, die die Wiederholung der Präsidentenwahl am heutigen Donnerstag boykottieren will. Dem ostafrikanischen Land steht eine schwere Prüfung bevor.

 Der amtierende kenianische Präsident Uhuru Kenyatta.

Der amtierende kenianische Präsident Uhuru Kenyatta.

Foto: dpa/Sayyid Abdul Azim

Eigentlich gilt Kenia als solide Demokratie und verlässlicher Partner des Westens. Doch seit der Wahl am 8. August spielen sich Szenen wie aus einem Politthriller ab. „Wir befinden uns in einer politischen Krise“, sagt Analyst Abdullahi Abdille von der Denkfabrik International Crisis Group.

Bereits der 8. August – an dem die Kenianer neben einem Präsidenten auch ein Parlament und neue Gouverneure wählten – war von Nervosität geprägt. Kurz nach Schließung der Wahllokale warf Odinga seinem Rivalen, dem amtierenden Staatsoberhaupt Uhuru Kenyatta, Wahlbetrug vor. Als der Amstinhaber zum Sieger erklärt wurde, zog Odinga vor Gericht. Die überraschende Annullierung der Präsidentenwahl durch das Oberste Gericht wurde als demokratisches Leuchtfeuer gefeiert.

Doch die Euphorie verflog schnell. Je näher die Neuwahl rückte, desto mehr verhärteten sich die Fronten zwischen Kenyatta und Odinga. Der 72-jährige Oppositionsführer rief zu Protesten gegen die Wahlkommission auf. Diese hatte aus seiner Sicht nicht genug getan, um die Fehler der ersten Wahl zu korrigieren. Kenyattas Jubilee-Partei goss mit umstrittenen Änderungen der Wahlgesetze im Parlament Öl ins Feuer. Als sich Odinga dann von der Wahlwiederholung zurückzog und zum Boykott aufrief, stürzte er Kenia in politische Ungewissheit.

Kenyatta gehört der größten Volksgruppe der Kikuyu an, die bislang drei der vier Präsidenten gestellt hat. Andere Gruppen fühlen sich von der politischen Macht und wirtschaftlichen Entwicklung des Landes ausgeschlossen. Odinga gehört der Gruppe der Luo an und sieht sich als Vertreter der Marginalisierten. „Die meisten Menschen wählen entlang ethnischer Linien“, erklärt Anyango. „Es gibt immer noch keine wirkliche Demokratie in Kenia“.

Noch kurz vor der Neuwahl herrschte große Unsicherheit, ob die Abstimmung tatsächlich stattfinden wird. Der Rücktritt eines führenden Mitglieds der Wahlkommission löste ein kleines politisches Erdbeben aus. Roselyn Akombe erklärte, die Wahlkommission folge parteipolitischen Interessen, und damit könne keine demokratische Abstimmung gewährleistet werden. Selbst der Leiter der Kommission, Wafula Chebukati, äußerte Zweifel. Noch am Tag vor der Abstimmung befasste sich das Oberste Gericht mit einem Antrag zur Verschiebung der Neuwahl. Doch da gestern nur zwei der sieben Richter des Obersten Gerichts anwesend waren, konnte das Gericht nicht über den Antrag entscheiden. Somit wird die Wahl wahrscheinlich stattfinden.

Odingas Parteienbündnis Nasa hat für den Wahltag Demonstrationen angekündigt, die, wie Beobachter befürchten, blutig enden könnten. Doch besonders besorgniserregend sind die möglichen Langzeitfolgen der Krise. Sollte Kenyatta durch diese umstrittene Abstimmung für weitere fünf Jahre zum Staatschef ernannt werden, bringe dies „Probleme der Legitimität“ mit sich, erklärt Abdille. Wie geht es weiter mit einem Präsidenten, der womöglich von einem großen Teil der Bevölkerung nicht anerkannt wird?

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