Labour-Partei bricht gespräche mit Regierung ab Zurück auf Anfang im Brexit-Drama

London · Labour-Chef Jeremy Corbyn hat die Gespräche mit der konservativen Regierung über einen Kompromiss im Streit um den EU-Austritt Großbritanniens für gescheitert erklärt.

 Oppositionsführer Jeremy Corbyn winkt ab: Bei den Gesprächen mit der Regierung über einen Kompromiss im Streit um den Brexit seien unüberbrückbare Differenzen zutage getreten. Deshalb habe Labour sie beendet.

Oppositionsführer Jeremy Corbyn winkt ab: Bei den Gesprächen mit der Regierung über einen Kompromiss im Streit um den Brexit seien unüberbrückbare Differenzen zutage getreten. Deshalb habe Labour sie beendet.

Foto: dpa/Stefan Rousseau

Da redeten sie und diskutierten und stritten wochenlang hinter verschlossenen Türen der Downing Street. Doch einig wurden sich die konservative Regierung unter Premierministerin Theresa May und die Spitze der Labour-Partei offenbar nur selten, wie bereits seit Wochen gemunkelt wurde. Und so kam es am gestrigen Freitag auch nicht als Paukenschlag daher, dass der Oppositionsführer Jeremy Corbyn die Gespräche über einen Kompromiss im Brexit-Streit für gescheitert erklärte. In Westminster-Kreisen hatte man das schon erwartet.

„Wir waren nicht in der Lage, gewichtige politische Differenzen zwischen uns zu überbrücken“, schrieb Corbyn in einem Brief an May. Die Verhandlungen seien „so weit gegangen wie es möglich war“, doch aufgrund der „zunehmenden Schwäche und Instabilität“ der Regierung könnte man sie nicht weiterführen. Für die Premierministerin bedeutet dies einen weiteren Rückschlag in ihrer Negativ-Serie. Welche Optionen bleiben ihr jetzt noch, um das gefühlt unendliche Brexit-Drama zu einem vorläufigen Ende zu bringen?

Ende März hatte sie – für etliche Beobachter viel zu spät – die überparteilichen Gespräche eingeleitet, nachdem das zwischen London und Brüssel ausgehandelte Austrittsabkommen drei Mal im Parlament krachend gescheitert war. In der Folge gewährte die EU zwei Mal eine Verlängerung der Scheidungsfrist.

Mays Hoffnung, dass sie den Deal Anfang Juni vom Unterhaus gebilligt bekommt, um zu verhindern, dass britische Europaabgeordnete am 2. Juli ihr Mandat antreten, dürfte mit Corbyns Absage dahin sein. Zu sehr ist die von ihr geführte Minderheitsregierung auf die Unterstützung der Sozialdemokraten angewiesen. Zu groß sind die Streitereien innerhalb der konservativen Partei über den richtigen Brex­it-Kurs. Und zu massiv steht May unter Druck der Rebellen in den eigenen Reihen, die ihren Abgang fordern.

Noch in diesem Sommer, so versprach sie jetzt, würde sie den Zeitplan für ihren Rückzug festsetzen. Ob die Ankündigung die aufgeregten Gemüter beschwichtigt? Seit Monaten bringen sich mögliche Nachfolger in Stellung. So hatte erst am Donnerstag der ehemalige Außenminister Boris Johnson, seines Zeichens Brexit-Wortführer und Sprachrohr der Hardliner, seine Ambitionen bestätigt. „Natürlich werde ich mich bewerben“, sagte er. „Das dürfte kein Geheimnis sein.“ Für Beobachter war es das tatsächlich nicht – zumindest nicht, seit sich der exzentrische Politiker kürzlich statt mit wirrem Haar, das er zu seinem Markenzeichen machte, mit aufgeräumter blonder Mähne präsentierte.

Auch etliche andere Minister und Ex-Minister meldeten durch Home-Stories, in Interviews oder via Meinungsbeiträge ihr Interesse für den Posten an. Für Labour, selbst innerparteilich über der Brexit-Frage gespalten, stellte diese personelle Unsicherheit eines der Kernprobleme dar. So wies Corbyn auf die Bedenken hin, dass ein Nachfolger sich an die Absprachen zwischen Tories und den Sozialdemokraten halten würde.

Zwar betonten sowohl er als auch May, dass die Verhandlungen „konstruktiv und mit guter Absicht“ geführt worden wären. Davon hat das Brexit-müde Königreich aber herzlich wenig. Die Regierung unter Theresa May steht wieder am Anfang. Und bis zum 31. Oktober, dem aktuellen Brexit-Tag, mag es zwar noch lange hin erscheinen. Doch alles – ob die derzeitige Lethargie in Westminster oder die fehlenden Alternativ-Vorschläge – deutet darauf hin, dass die Briten abermals wertvolle Zeit vergeuden, was am Ende wieder zur großen Krise führen könnte. Schon jetzt prophezeien Beobachter deshalb einen heißen Herbst.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort