Oberster Gerichtshof US-Präsident könnte mit Richterin Lagoa bei Hispanics punkten

Washington · Aus dem Nichts ist die 52-Jährige mit kubanischer Abstammung zur aussichtsreichsten Kandidatin für den Obersten Gerichtshof in den USA avanciert.

 Barbara Lagoa stammt aus Florida, einem wahlentscheidenden Swing-State.

Barbara Lagoa stammt aus Florida, einem wahlentscheidenden Swing-State.

Foto: AP/AP Photo/Florida Supreme Court

Mit dem Namen Barbara Lagoa wussten noch vorige Woche allenfalls Insider etwas anzufangen. Das hat sich binnen weniger Tage geändert. Der Name Lagoa ist in aller Munde, wenn es um die Frage geht, wer der verstorbenen Ruth Bader Ginsburg am Obersten Gerichtshof nachfolgen soll. Donald Trump, der gegen erbitterten Widerstand der Opposition anpeilt, den vakanten Posten noch vor der Wahl am 3. November zu besetzen, spricht auf einmal in höchsten Tönen von der 52 Jahre alten Juristin aus Florida. Zwar kenne er sie nicht persönlich, doch er bekomme jede Menge Anrufe von Leuten, die nur Gutes über sie zu erzählen hätten.

Das alles muss nichts bedeuten. Der amerikanische Präsident findet bekanntlich Gefallen daran, aus einer Personalentscheidung einen spannend inszenierten Wettlauf zu machen, so wie einst in der Serie „The Apprentice“, als er ambitionierte junge Menschen mit mehr oder weniger ausgeprägtem Geschäftssinn gegeneinander antreten ließ. Lobt er jemanden über den grünen Klee, sagt das noch nichts darüber, wer am Ende den Zuschlag bekommt. Eines aber steht fest: Bei der Wahl der Verfassungsrichterin geht es auch – und ganz wesentlich – danach, was sie mit Blick auf das Präsidentschaftsvotum bedeutet. Deshalb avancierte Lagoa wie aus dem Nichts heraus zur aussichtsreichen Kandidatin.

Das hat maßgeblich mit ihrer Herkunft zu tun. Geboren in Miami, ist sie die Tochter kubanischer Emigranten, die nach der Revolution Fidel Castros die Insel verließen. In Florida hat sie studiert. In Florida hat sie in einer prestigeträchtigen Anwaltskanzlei angefangen. In Florida hat sie, von 2006 bis 2019, an einem Berufungsgericht Urteile gefällt, bevor sie auf der Karriereleiter weiter nach oben kletterte und den Posten einer Bundesrichterin mit Sitz in Atlanta übernahm. Wahlpolitisch gesehen ist Florida von den Swing-States, in denen es meist auf der Kippe steht zwischen Demokraten und Republikanern, der gewichtigste. Das allein schon erklärt, warum sich Trump für Lagoa erwärmt.

Falls er sie benennt, hofft er bei Hispanics im „Sunshine State“ zu punkten – nicht nur bei den älteren Jahrgängen der kubanischen Exilgemeinde, auf die er sich ohnehin stützen kann, sondern auch bei Wählern mit Wurzeln in Puerto Rico, Mexiko oder Guatemala. Lagoa wäre, nach der von Barack Obama nominierten Sonia Sotomayor, erst die zweite Supreme-Court-Richterin lateinamerikanischer Abstammung. Für Latinos, auch für solche, die mit Trump fremdeln, wäre es ein Grund, stolz zu sein. Es würde beitragen zur Weichzeichnung eines Mannes, der viele mit dem Mauerbau an der mexikanischen Grenze vor den Kopf gestoßen hat.

Während der Name Lagoa die Fantasie beflügelt, ist Amy Coney Barrett so etwas wie die konventionelle Favoritin. Die 48-Jährige, die an einem Court of Appeals in Chicago Recht spricht, weiß vor allem evangelikale Christen hinter sich, die wiederum 2016 zu vier Fünfteln für den Kandidaten Trump stimmten. Entscheidet sich Trump für Barrett, mobilisiert er eine Kerngruppe seiner Basis.

Von Barretts Berufung versprechen sich Gegner des Abtreibungsrechts, mit einer dann eindeutig konservativen Mehrheit am Supreme Court jenes Grundsatzurteil im Fall Roe gegen Wade zu kippen, mit dem 1973 Schwangerschaftsabbrüche legalisiert wurden. Pro-Life-Initiativen wie die gut vernetzte Susan B. Anthony List rühren kräftig die Trommel für die aus Indiana stammende Katholikin, während sie mit Lagoa eher fremdeln. Als sich Barrett 2017 vom Senat befragen lassen musste, um grünes Licht für ihr jetziges Amt zu erhalten, warfen ihr manche auf den Oppositionsbänken vor, Kirche und Justiz auf unzulässige Art zu vermischen. Sie sei bekannt für ihre Ansicht, dass religiöse Überzeugungen die Oberhand behalten müssten, kritisierte die Demokratin Dianne Feinstein.

Drei weiteren Anwärterinnen werden nur Außenseiterchancen zugebilligt: Kate Todd, einer Rechtsberaterin im Weißen Haus, sowie den beiden Bundesrichterinnen Allison Jones und Joan Larsen.

Die Entscheidung über die Besetzung der Stelle am Supreme Court könnte schon bald fallen: Trump kündigte am Dienstag auf Twitter an, er werde am Samstag seine Kandidatin nominieren. Im Senat sind scheinbar ausreichend Republikaner auf Linie, um die Personalie dann noch vor der Wahl am 3. November zu bestätigen. Die Demokraten haben scharfen Protest gegen das Vorgehen eingelegt. Sie fordern, dass der Sieger der Präsidentschaftswahl die vakante Stelle am höchsten Gericht der USA besetzt.

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