Tötung von Ghassem Soleimani Riskanter Schlag gegen Irans Strippenzieher

Bagdad/Washington · US-Raketen haben Top-General Ghassem Soleimani getötet. Teherans Führung droht Washington mit Rache. Droht neue Gewalt in Nahost?

 General Ghassem Soleimani (oberes Foto Mitte) galt als der wichtigste iranische General im Ausland. In der Nacht zu Freitag wurde er bei einem gezielten Angriff der US-Armee getötet. In der schiitischen Welt löste die Tötung große Wut aus – nicht nur im Iran selbst, sondern etwa auch im indischen Teil Kaschmirs, wo schiitische Demonstranten am Freitag auf die Straße gingen (unteres Foto).  Fotos: Büro des obersten Führers im Iran/ap, Khan/dpa

General Ghassem Soleimani (oberes Foto Mitte) galt als der wichtigste iranische General im Ausland. In der Nacht zu Freitag wurde er bei einem gezielten Angriff der US-Armee getötet. In der schiitischen Welt löste die Tötung große Wut aus – nicht nur im Iran selbst, sondern etwa auch im indischen Teil Kaschmirs, wo schiitische Demonstranten am Freitag auf die Straße gingen (unteres Foto). Fotos: Büro des obersten Führers im Iran/ap, Khan/dpa

Foto: AP

Auf den Bildern sind nur noch die Überreste zweier völlig zerstörter Fahrzeuge in Flammen zu sehen, irgendwo an einer Straße nahe dem Flughafen der irakischen Hauptstadt Bagdad. Der iranische Top-General Ghassem Soleimani war offenbar kurz vorher gelandet und hatte den Airport gerade verlassen. Dann schlagen drei Raketen ein, abgefeuert von einer US-Drohne. Soleimani dürfte sofort tot gewesen sein, genauso wie der einflussreiche irakische Schiitenführer Abu Mahdi al-Muhandis, ein enger Verbündeter Teherans. Die US-Armee hat auf Befehl von Präsident Donald Trump zugeschlagen.

US-Verteidigungsminister Mark Esper sprach von einer „entschiedenen Defensivaktion“. Der iranische General habe Attacken sowohl gegen Diplomaten als auch gegen Soldaten der USA vorbereitet, nicht nur im Irak, sondern im gesamten Nahen Osten. Die Umsetzung dieser Pläne habe man verhindern wollen, erklärte der Verteidigungsminister noch in der Nacht zum Freitag, deshalb habe man entschlossen gehandelt. Mit Trumps Entscheidung, Suleimani zu töten, sei das Leben Hunderter, wenn nicht Tausender Amerikaner gerettet worden, legte Mike Pompeo später in einem CNN-Interview nach. Geheimdienste hätten gewarnt, „letzte Nacht war der Zeitpunkt, an dem wir zuschlagen mussten“, sagte der Außenminister, ohne im Detail zu erläutern, welche Gefahren  drohten.

Getötet hat die US-Armee nicht irgendjemanden, sondern den wichtigsten iranischen General im Ausland. Fast jeder in der Region kennt das Gesicht des 62-Jährigen. Irak, Syrien – Soleimani tauchte immer dann auf, wenn es für den Iran besonders wichtig war. Sein Ruf war legendär, sein Name berühmt-berüchtigt. Er war der Architekt der iranischen Militärpolitik in der arabischen Welt, der wichtigste Befehlsgeber der zahlreichen mit Teheran verbündeten Milizen in der Region. Soleimanis Tod bedeutet für den Iran einen schweren Schlag, weil Teheran seinen wohl fähigsten Strippenzieher verloren hat.

Doch Trump geht mit dem Raketenangriff ein großes Risiko ein. Mit Soleimanis Tod erreicht der ohnehin schon schwere Konflikt der USA mit dem Iran eine neue Stufe der Eskalation, deren möglicherweise dramatische Folgen sich nur erahnen lassen. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass der Iran derartige Operationen nicht stillschweigend hinnimmt. Die oberste Führung in Teheran, aber auch die iranischen Verbündeten drohten umgehend mit Rache. In Teheran und anderen Städten gab es Proteste gegen die USA. Die Gefahr, dass sich der Konflikt mit dem Iran in einer Spirale aus Aktion und Reaktion zu einem Krieg auswächst, scheint größer denn je.

Irans Militär verfügt über ein dichtes Netz von treuen Verbündeten in wichtigen Ländern der Region. Soleimani war auch deswegen in der Region viel unterwegs, um dieses zu knüpfen und zu pflegen. Libanon, Syrien, Irak, Jemen – überall stehen iranische Verbündete für schmerzhafte Schläge gegen die USA und ihre Partner bereit. Nicht lange her sind etwa die Raketenangriffe auf wichtige saudische Ölanlagen, hinter denen Washington und Riad den Iran sahen. Denkbar wären auch Raketenangriffe der Iran-treuen libanesischen Hisbollah-Miliz auf ihren benachbarten Erzfeind Israel.

Nach dem Angriff auf Soleimani geht die Angst um. Israel befindet sich nun in erhöhter Alarmbereitschaft. Die US-Botschaft im Irak ruft Amerikaner zur sofortigen Ausreise aus dem Land auf. Aus aller Welt kommen besorgte Stimmen – und Aufrufe zur Besonnenheit. Die Börsen reagieren nervös.

Trumps Angriffsbefehl dürfte eine der folgenreichsten Entscheidungen seiner Amtszeit sein. Innenpolitisch kommt die Aktion zu einem heiklen Zeitpunkt – zum Auftakt des Wahljahres in den USA und inmitten eines Amtsenthebungsverfahrens gegen den US-Präsidenten. Ein militärischer Konflikt könnte zwar womöglich die Aufmerksamkeit von den Vorwürfen gegen Trump in der Ukraine-Affäre ablenken, den Fokus auf ihn als Oberbefehlshaber und Beschützer amerikanischer Kräfte lenken. Doch ausgerechnet Trump verspricht seinen Anhängern seit jeher, die „endlosen“ Kriege Amerikas zu beenden und US-Truppen heimzuholen. 

 dpatopbilder - 03.01.2020, Indien, Magam: Schiitische Muslime aus Kaschmir halten Plakate mit dem Abbild des Generals Soleimani während eines Protestes gegen einen US-Luftangriff im Irak, bei dem der iranische General getötet wurde, in die Höhe. Foto: Mukhtar Khan/AP/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

dpatopbilder - 03.01.2020, Indien, Magam: Schiitische Muslime aus Kaschmir halten Plakate mit dem Abbild des Generals Soleimani während eines Protestes gegen einen US-Luftangriff im Irak, bei dem der iranische General getötet wurde, in die Höhe. Foto: Mukhtar Khan/AP/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Foto: dpa/Mukhtar Khan

So eilen diverse Republikaner ihrem Parteifreund bereits zur Seite und verteidigen Soleimanis Tötung als gerechte Strafe für einen Feind Amerikas. Auch Demokraten erklären zwar, niemand werde dem General eine Träne nachweinen – doch der Raketenangriff auf ihn sei eine verantwortungslose und noch dazu vom Kongress nicht abgesegnete Eskalation, mahnen sie. Der demokratische Präsidentschaftsbewerber Joe Biden etwa klagt: „Präsident Trump hat soeben eine Stange Dynamit in ein Pulverfass geworfen.“

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