Nach den Anschlägen in Spanien Spaniens Muslime wehren sich gegen den Generalverdacht

Barcelona · Nach dem Barcelona-Attentat distanzieren sich Islam-Gemeinden im Königreich offen vom Terror. Schon länger sehen sie sich Anfeindungen ausgesetzt.

Ausländerfeindliche Schmierereien, Hasskommentare im Netz, Beleidigungen von Muslimen auf der Straße, Neonazi-Attacken: Nach den Terroranschlägen von Barcelona und Cambrils, hinter denen eine Gruppe junger marokkanischstämmiger Terroristen mit doppelter (also auch spanischer) Staatsangehörigkeit steckt, erlebt Spanien einen in diesem Land bisher noch nicht gesehenen Ausbruch der Islamophobie.

Etliche Moscheen und marokkanische Einrichtungen wurden in den letzten Tagen mit Schmäh-Parolen besprüht. „Ihr werdet alle sterben, verdammte Moslems“, pinselten Unbekannte auf das Tor des Gebetshauses im katalanischen Ort Montblanc. Madrids Arbeitervorstadt Fuenlabrada erwachte mit dem Aufruf „Tod dem Islam“ am muslimischen Gebetshaus. In dem Madrider Vorort San Martín de la Vega wurden Rollläden marokkanischer Geschäfte beschmiert. Auf einer Moschee in Sevilla prangte: „Mörder, das werdet ihr bezahlen.“ Die Gebetsräume in Granada wurden mit Feuerwerksraketen beschossen. Und das ist nur eine kleine Auswahl der Vorfälle der vergangenen Tage.

Nicht erst seit den Terrorangriffen im nordspanischen Katalonien wächst die Fremdenfeindlichkeit in Spanien kontinuierlich: Schon im vergangenen Jahr registrierte die Plattform gegen Islamophobie mit landesweit 573 Aggressionen gegenüber der muslimischen Bevölkerung einen neuen Höchststand. Das sei nur die Spitze des Eisbergs, glaubt man bei dieser Bürgerplattform. Die meisten Fälle würden aus Angst vor weiteren Problemen erst gar nicht zur Anzeige gebracht.

An erster Stelle der Anfeindungen stehen verbale oder auch körperliche Angriffe auf muslimische Frauen, die auf der Straße wegen ihres Kopftuches beleidigt, bespuckt oder auch tätlich angegriffen werden. An zweiter Stelle kommen Anschläge und Schmierereien auf islamische Gotteshäuser.

Die Marokkaner, die einst wegen des Arbeitskräftebedarfs in Industrie und Landwirtschaft ins Land kamen, sind Spaniens größtes Ausländerkollektiv. Insgesamt leben etwa 750 000 marokkanische Staatsbürger im spanischen Königreich, das 46 Millionen Einwohner hat. Die Region Katalonien ist eine der marokkanischen Hochburgen im Land.

Die Zahl aller Muslime in Spanien liegt nach Angaben der Statistiker bei 1,9 Millionen. Sie haben landesweit einen Anteil an der Gesamtbevölkerung von etwas mehr als vier Prozent. Das ist nicht viel im Vergleich zu anderen großen Einwanderungsländern wie etwa Frankreich oder Deutschland. Aber offenbar schon genug, um Spannungen zu provozieren.

Viele muslimische Gemeinden in ganz Spanien versuchten schon Stunden nach den Terroranschlägen gegenzusteuern und demonstrierten auch am Wochenende gegen den islamistischen Terror: „Nicht in unserem Namen“, „Der Islam bedeutet Frieden“, „Ich bin Muslim, aber kein Terrorist“ und „Der Terrorismus hat keine Religion“ stand auf Plakaten, die etwa auf Barcelonas Flaniermeile Las Ramblas hochgehalten wurden – dort, wo einer der Terroristen am Donnerstag mit einem Lieferwagen in die Menge gerast war und 13 Menschen tötete. Bewohner und Touristen, die in diesem Moment an der Kundgebung auf den Ramblas vorbei kamen, dankten den muslimischen Demonstranten mit viel Applaus – und so mancher Umarmung.

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