Netanjahus Schicksalswahl in Israel Fünfter Sieg oder das Ende der Ära „Bibi“?

Tel Aviv · Benjamin Netanjahu ist Israels am längsten amtierender Ministerpräsident seit der Staatsgründung 1948. Die 18-Jährigen, die bei der Parlamentswahl am Dienstag zum ersten Mal ihre Stimme abgeben, kennen keinen anderen Regierungschef.

 Benjamin Netanjahu ist der am längsten amtierende Ministerpräsident Israels.

Benjamin Netanjahu ist der am längsten amtierende Ministerpräsident Israels.

Foto: dpa/Oded Balilty

Aber kann der als politischer „Zauberer“ geltende 69-Jährige es wieder schaffen und seine fünfte Amtszeit antreten? Das ist keinesfalls gewiss. Es mehren sich vielmehr die Anzeichen, dass „Bibi“ vor dem Ende seiner politischen Karriere stehen könnte.

Netanjahus erklärtes Ziel ist es, wieder eine Koalition rechter und religiöser Parteien zu schmieden. Diese könnte ihm auch dabei helfen, mit der Verabschiedung eines „Immunitätsgesetzes“ einer Strafverfolgung zu entgehen. Denn nur zwei Wochen nach der Wahl muss er sich einer Anhörung stellen. Ihm droht eine Anklage wegen Korruption in drei Fällen.

Der Politikwissenschaftler Jonathan Rynhold geht aber davon aus, dass es Netanjahu nicht gelingen wird, eine Mehrheit rechter und religiöser Parteien zu sichern. Zumindest nicht ohne die Unterstützung seines Rivalen, des Ex-Verteidigungsministers Avigdor Lieberman. Doch das Verhältnis zwischen dem Regierungschef und seinem ehemaligen Mitarbeiter gilt als vergiftet. „Der Kernpunkt ist: Wenn Netanjahu keine Mehrheit von 61 Sitzen erzielt, dann beginnt die Uhr zu ticken“, sagt Rynhold. Bereits nach der Wahl im April hatte Lieberman Netanjahu die Unterstützung verweigert. Vordergründig wegen eines Streits um die Wehrpflicht strengreligiöser Juden, die Lieberman fordert, die anderen ultra-orthodoxen Koalitionspartner jedoch ablehnen. Deshalb scheiterte Netanjahu mit der Regierungsbildung, obwohl der Block rechter und religiöser Parteien eine Mehrheit hatte.

Wird diese Situation sich nach der zweiten Wahl binnen fünf Monaten wiederholen? Lieberman ist es Umfragen zufolge gelungen, die fünf Mandate seiner Partei Israel Beitenu (Unser Haus Israel) in der Knesset zu verdoppeln. Netanjahus Likud sowie Blau-Weiß, ein Bündnis der Mitte unter Führung des Ex-Militärchefs Benny Gantz, liefern sich derweil ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Beide können jeweils mit etwas mehr als 30 der insgesamt 120 Sitze im Parlament rechnen. Damit würde Lieberman die Rolle des Königsmachers zufallen.

Eine große Koalition von Likud und Blau-Weiß hält Experte Rynhold für das wahrscheinlichste Ergebnis. Der Blau-Weiß-Vorsitzende Gantz hat allerdings betont, seine Partei werde wegen der Korruptionsvorwürfe keine Koalition mit dem Likud mit Netanjahu als Regierungschef eingehen. Lieberman lehnt wiederum eine Koalition mit den strengreligiösen Parteien ab. Und eine Mitte-Links-Regierung unter Gantz gilt als aussichtslos.

Im Kampf um sein politisches Überleben geht Netanjahu kurz vor der Wahl noch auf Stimmenfang im rechten Lager und verkündet erneut Annexionspläne im besetzten Westjordanland. Außerdem schürt er die Stimmung gegen die arabische Minderheit im Land.

Lieberman sei es derweil gelungen, den Kampf gegen den wachsenden Einfluss der strengreligiösen jüdischen Parteien zu einem zentralen Wahlkampfthema zu machen, sagt Tamar Hermann, akademische Leiterin des Guttman-Zentrums für Öffentliche Meinung und Politikforschung. „Er hat einen wunden Punkt gefunden.“ Das Thema Sicherheit sei dagegen eher in den Hintergrund gerückt. „Da gibt es zwischen Likud und Blau-Weiß kaum Unterschiede.“ Deshalb gilt eine Wiederbelebung des Friedensprozesses mit den Palästinensern in absehbarer Zukunft auch als unwahrscheinlich – unabhängig vom Ausgang der neuen Wahl.

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