Libyen Rebellengeneral Haftar lässt die Waffen nicht ruhen

Istanbul · Die Kämpfe in Libyen flammen wieder auf, als hätte es Merkels Berliner Konferenz nie gegeben. Die Konfliktparteien setzen weiter auf die militärische Karte.

Eine Woche nach den Friedensappellen der Berliner Konferenz steht die Waffenruhe in Libyen nur noch auf dem Papier. Truppen des Rebellengenerals Khalifa Haftar rücken auf die strategisch wichtige Stadt Misrata am Mittelmeer rund 120 Kilometer östlich der Hauptstadt Tripolis vor. Auf dem Flughafen von Tripolis, dem Sitz der international anerkannten Regierung, schlugen am Wochenende mehrere Raketen ein. Die Vereinten Nationen berichteten, trotz des Waffenembargos schafften die ausländischen Unterstützer der Kriegsparteien, darunter auch Teilnehmerstaaten des Berliner Treffens, weiter Kriegsgerät und Kämpfer nach Libyen. Damit könnten die Türkei und die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) gemeint gewesen sein: Die wichtigsten Akteure in Libyen sind nach wie vor überzeugt, dass sie ihre Ziele militärisch durchsetzen können. Die libysche Internet-Zeitung „Libya Observer“ meldete, Haftars Truppen seien am Wochenende in das Dorf Abu Grein südöstlich von Misrata eingerückt, anschließend bei einem Gegenangriff der Regierungstruppen aber zurückgeschlagen worden. Bei den Gefechten wurden demnach 20 Kämpfer von Haftars Libyscher National-Armee (LNA) und zehn regierungstreue Milizionäre getötet.

Die LNA hatte im April vergangenen Jahres mit einem Großangriff zur Einnahme von Tripolis begonnen. Sie wirft der Regierung von Ministerpräsident Fajis al-Sarradsch vor, sich von islamistischen Gruppen schützen zu lassen. Die Türkei und Katar unterstützen Sarradsch, während sich Haftar auf die Hilfe der VAE, Ägyptens, Russlands und Frankreichs stützen kann.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte bei der Berliner Konferenz am 19. Januar versucht, Haftar, Sarradsch und ihre jeweiligen internationalen Unterstützer auf eine Waffenruhe zu verpflichten. Deutschland will die Lage in Libyen stabilisieren, um auf diese Weise etwas gegen die Ankunft von Bootsflüchtlingen aus Libyen in der EU tun zu können. Doch die Friedensbekenntnisse von Berlin haben den Konflikt nicht beruhigen können. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte am Freitag bei einem Besuch Merkels in Istanbul bekräftigt, er entsende weiter Militärausbilder nach Libyen, um Sarradsch zu helfen. Den Rebellengeneral Haftar nannte Erdogan einen „Putschisten“, dem nicht zu trauen sei.

Die VAE, ein regionaler Rivale von Türkei und Katar im Nahen Osten, hat mit Rüstungslieferungen und der Anwerbung sudanesischer Kämpfer in jüngster Zeit zu Haftars militärischen Erfolgen beigetragen. Der Mitiga-Flughafen von Tripolis spielt bei dem Stellvertreterkrieg eine wichtige Rolle: Von Mitiga aus starten türkische Kampfdrohnen, die Haftars Angriff abwehren sollen – und die vor allem gegen feindliche Drohnen eingesetzt werden, die von den VAE geliefert werden. In dem indirekten Konflikt zwischen der Türkei und den VAE geht es um politischen und wirtschaftlichen Einfluss, aber auch um Ideologie. Ankara steht auf der Seite der islamistischen Muslim-Bruderschaft, die in Libyen zu den Stützen der Sarradsch-Regierung gehört. Die VAE, Ägypten und Saudi-Arabien betrachten die Bruderschaft dagegen als Terrorgruppe, die von den Schalthebeln der Macht ferngehalten werden muss. Der Libyen-Experte Jalel Harchaoui von der niederländischen Denkfabrik Clingendael schrieb auf Twitter, die VAE wollten sicherstellen, dass der politische Islam in Libyen keine Chance habe.

Erdogan versucht unterdessen, andere Länder der Region auf seine Seite zu bringen. Bei einem Besuch im libyschen Nachbarland Algerien sagte er, es gebe intensive Gespräche mit den betroffenen Staaten über eine friedliche Lösung. Diese kann nach Ansicht des türkischen Präsidenten nur in einer Stärkung von Sarradschs Regierung bestehen. Algerien lehnt die von Erdogan angekündigte Entsendung türkischer Truppen nach Libyen allerdings ab und will sich nicht vom türkischen Lager vereinnahmen lassen. 

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