Proteste in mehreren Städten In Spanien wächst der Unmut gegen die Corona-Beschränkungen

Madrid · Das Parlament hat den Ausnahmezustand mit knapper Mehrheit verlängert. Dagegen gibt es Proteste – die von den Rechten weiter angefacht werden.

 Noch unterstützt die Mehrheit der Spanier die Corona-Politik von Ministerpräsident Pedro Sanchez.

Noch unterstützt die Mehrheit der Spanier die Corona-Politik von Ministerpräsident Pedro Sanchez.

Foto: dpa/---

Erst waren es nur Proteste an Fenstern und Balkonen. Nun gehen immer mehr Menschen in Spanien gegen die Corona-Politik der Mitte-Links-Regierung auf die Straße. Das südeuropäische Land, in dem seit zehn Wochen die Mobilität der Bürger beschränkt ist, erlebt derzeit die bisher größten Demonstrationen seit Beginn des Ausnahmezustandes, der seit 15. März in Kraft ist und am Mittwochabend um weitere zwei Wochen verlängert wurde.

Kurz nach der Entscheidung des Parlamentes, die mit knapper Mehrheit fiel, gingen erneut tausende Menschen in vielen Städten Spaniens auf die Straße, um ihren Unmut zu äußern. Vielerorts kam es am Mittwochabend zu Konfrontationen zwischen Gegnern und Anhängern der Regierung. Die wachsenden Spannungen in der Gesellschaft spiegeln das vergiftete politische Klima wider. Spaniens konservative Opposition attackiert Premier Pedro Sánchez mit aller Härte und ist auch in der Corona-Krise nicht bereit, mit der Regierung aus Sozialisten und dem linken Juniorpartner Podemos zusammenzuarbeiten.

Inzwischen sprang der Protestfunke von Spaniens Hauptstadt Madrid, wo die Demos vor zehn Tagen im großbürgerlichen Viertel Salamanca begannen, auf andere Städte über: Sevilla, Saragossa, Valencia – überall hörte man ähnliche Parolen: „Freiheit, Freiheit“, skandieren die Menschen, die ein Ende des Notstandsrechts forderten und den Rücktritt der Regierung. Viele Demonstranten hüllten sich in Nationalfahnen und riefen: „Es lebe Spanien.“

Laut dem staatlichen Meinungsforschungsinstitut CIS steht zwar noch eine Mehrheit der Bevölkerung zur Corona-Politik von Sánchez – doch die Unterstützung schwindet. Schon vor Wochen begannen die Unzufriedenen, jeden Abend mit Töpfen und Kochlöffeln ans Fenster zu schlagen. Seit die Regierung die Ausgangsbeschränkungen spürbar lockerte und wieder erlaubte, zur körperlichen Ertüchtigung vor die Tür zu gehen, organisieren sie in vielen Stadtvierteln täglich „Spaziergänge für die Freiheit“. Die Parolen dieser bürgerlich-konservativen Protestbewegung gleichen fast wörtlich denen der rechtspopulistischen Partei Vox. Wie auch in anderen Ländern feuern die Ultrarechten, die in Spanien mit 15 Prozent der Stimmen drittstärkste Partei sind, die Kundgebungen an. Vox-Chef Santiago Abascal forderte seine Anhänger unverhohlen auf, sich gegen die „als Ausnahmezustand getarnte Diktatur“ zu erheben. Für kommendes Wochenende rief Vox zu großen Auto-Demos im ganzen Land auf.

Bei so viel Lärm geht beinahe unter, dass die Beschränkungen inzwischen erheblich gelockert wurden. Geschäfte bis 400 Quadratmeter sind geöffnet, die Menschen dürfen zur Bewegung, zum Sport und zum Shoppen auf die Straße. Nur in den beiden Corona-Brennpunkten, Madrid und Barcelona, wo das Virus am schlimmsten wütete, gelten noch etwas strengere Regeln.

„Das Virus ist immer noch da“, warnte Regierungschef Sánchez. Obwohl sich die Lage täglich bessere. Die Abflachung der Infektionskurve sei vor allem dank der Ausgangsbeschränkungen erreicht worden, sagte Sánchez. Die Zahl der täglichen Neuerkrankungen sank auf unter 500. Die Summe der durch Tests bestätigten Infektionen liegt nach amtlichen Angaben bei rund 233 000, die offizielle Zahl der Toten bei etwa 28 000. Allerdings wurden bisher nur zehn Prozent aller Corona-Fälle entdeckt, ergab eine Studie der Regierung – sie schätzt die wirkliche Zahl der Infektionen im Land auf 2,3 Millionen.

Die Regierung will den Ausnahmezustand im Laufe des Junis auslaufen lassen. Für den Tourismus würde dies bedeuten, dass es in der kommenden Feriensaison wieder Reisen auf die spanischen Urlaubsinseln geben könnte. Auf Mallorca, den Kanarischen Inseln und an der Festlandküste ist die Epidemie aktuell unter Kontrolle. Die Hoteliers hoffen daher, dass im Sommer wenigstens in den Urlaubshochburgen die Flughäfen wieder für den Tourismus geöffnet werden und die bisher bestehende Quarantänepflicht für Einreisende wegfällt.

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