Proteste gegen Rechtspopulismus Sardinen-Schwarm schwimmt nach Rom

Rom · In der italienischen Hauptstadt hat die Protestbewegung am Wochenende gegen Rechtspopulismus und Hass demonstriert.

 Zwei Frauen demonstrieren mit Sardinensymbolen in der italienischen Hauptstadt Rom gegen Rechtspopulismus.

Zwei Frauen demonstrieren mit Sardinensymbolen in der italienischen Hauptstadt Rom gegen Rechtspopulismus.

Foto: dpa/Vincenzo Livieri

Als die Dezember-Abendsonne Rom in ein warmes Licht taucht, ist die Piazza San Giovanni zwar nicht bis auf den letzten Platz, aber doch sehr gut gefüllt. Tausende Menschen sind am Samstag in der italienischen Hauptstadt zusammen gekommen, um ihren Unmut über die Aggressivität im politischen Diskurs Luft zu machen. Die „Sardinen“ sind in Rom angekommen. Es ist eine wichtige Etappe auf dem Weg der neuen Protestbewegung in Italien, die den Rechtspopulismus und seine Personifizierung, den ehemaligen Innenminister und jetzigen Oppositionsführer, Lega-Chef Matteo Salvini, im Visier hat.

Ob es nun 100 000 Menschen waren, wie die Veranstalter behaupten, oder nur 35 000, wie die Polizei verbreitet, ist beinahe ein Randaspekt. Die Bilder von den Menschen, Familien, Ältere, Jugendliche, Migranten, die ohne Parteisymbole und ohne Fahnen und nur mit selbst gebastelten Papierfischen, den Sardinen, angetreten sind, sind eindrucksvoll. Vor einem Monat wagten sich die Sardinen per Flashmob erstmals in Bologna ans Tageslicht. Das Ziel war damals, mehr Menschen zusammen zu bringen als Lega-Chef Salvini, der zu einem Wahlkampfauftritt in der Stadt war. Eng wie die Sardinen zusammen stehen gegen Aggressivität, Hass, Diskriminierung und Rassismus, das ist die erklärte Motivation der Demonstranten. Rom ist bereits die 113. Stadt, in denen die Demonstranten zusammenkommen.

Auch in vielen anderen, vor allem europäischen Städten versammelten sich am Samstag vornehmlich junge Italiener zu Protesten, etwa in Berlin, Dresden, Madrid, London, Helsinki, Brüssel, aber auch in New York. „Wir sind hier, um als antifaschistisches Italien Farbe zu bekennen“, sagte Francesco De Angelis, Demonstrant in Rom. Emma Moroni, 57 Jahre alte Angestellte, erklärte: „Die Sardinen sind unser Symbol. Wir haben keinen Leader, das Wichtige ist das Zusammensein im Schwarm. Die Sardinen haben auf diese Weise Kraft, die Haifische wenden sich ab.“ Der „Haifisch“ Salvini gab schon vor Wochen bekannt, dass er von den Sardinen wenig bis gar nichts hält. „Sie sind nur gegen etwas, was für ein armseliges Leben!“

Doch die Salvini-Fixiertheit der Sardinen gehört der Vergangenheit an. „Ich weiß gar nicht, wo er heute ist und freue mich sehr darüber“, sagte Mattia Santori Reportern am Samstag. Der 32-jährige Santori rief die Bewegung in Bologna mit drei Freunden auf Facebook ins Leben. Zweifellos zählen die Sympathisanten zum linken Spektrum in Italien. Die Piazza San Giovanni ist der traditionelle Versammlungsort der Gewerkschaften am 1. Mai in Italien. Auch am Samstag sangen die Teilnehmer das Partisanen-Lied „Bella ciao“. Vertreter der italienischen Partisanen-Vereinigung waren am Samstag dabei, Alt-Linke, enttäuschte Sozialdemokraten und frustrierte Wähler der Fünf-Sterne-Bewegung. Die Zeitung La Repubblica beschreibt die Sardinen als „Bewegung, die der Stachel und das kritische Gewissen der Politik ist, die nach links blickt ist und die populistische Rechte verurteilt“.

Vier von zehn Italienern können sich laut Umfragen auch vorstellen, die Sardinen bei der nächsten Parlamentswahl zu wählen. Doch die denken bislang nicht an einen Eintritt in die Politik.

In welche Richtung die bunten Sardinen künftig stattdessen schwimmen wollen, das wollten am Sonntag 150 Initiatoren von Sardinen-Demonstrationen in Italien bei einem Treffen in Rom besprechen. Die Optionen sind zahlreich. „Kleine Sardine auf der Suche nach der Zukunft“, lautete der Schriftzug, den eine Demonstrantin auf der Piazza San Giovanni auf ihren selbst gebastelten Fisch geschrieben hatte.

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