Kommentar Abwanderung ist bitter, aber leider logisch

Die Menschen in Belarus, die genug haben von der Gewaltherrschaft des Diktators Alexander Lukaschenko kommen wieder, Sonntag für Sonntag. Fragt man sie allerdings nach den realen Perspektiven, dann mischen sich in den kämpferischen Optimismus oft skeptische Töne.

 Ulrich Krökel

Ulrich Krökel

Foto: SZ/Robby Lorenz

Dass der Diktator demnächst doch noch „abhauen“ könnte, wie es die Protestierenden seit Wochen fordern, glauben die wenigsten. Mit guten Gründen. Denn die Staatsmacht hat bislang keine echte Schwäche gezeigt. Polizei, Militär und Geheimdienste haben ihre Reihen geschlossen. Und auch der russische Präsident Wladimir Putin hat inzwischen klargestellt, dass er auf Lukaschenko setzt, um eine Demokratisierung im Nachbarland zu verhindern.

In dieser Situation fragen sich immer mehr Menschen in Belarus, ob sie nicht doch einen Weg in die Emigration suchen sollen. „Wir wollen nicht in einem zweiten Nordkorea leben.“ Dieser Satz ist in Belarus oft zu hören. Was aber, wenn Lukaschenko die Macht für sich und womöglich für seinen Sohn als Nachfolger sichern kann? So wie bei den Kims in Pjöngjang.

Schon jetzt sind benachbarte EU-Staaten zu Zufluchtsorten für Zehntausende Menschen aus Belarus geworden. Auch die führenden Köpfe der erfolgreichen Minsker IT-Industrie denken über Abwanderung nach. Die Zielländer werden sie mit Handkuss aufnehmen. All das ist bitter, aber leider logisch.

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