US-Präsidentschaftswahl Die große Stunde der Verschwörungs-Theorien

Washington · Je schneller sich der Demokrat Joe Biden der magischen Zahl von 270 Wahlleuten annähert, die ihm den Einzug ins Weiße Haus sichern würden, umso zahlreicher schießen unter den Anhängern von Donald Trump die Verschwörungstheorien ins Kraut.

 Anhänger von US-Präsident Trump protestieren vor dem Clark County Election Department in Las Vegas gegen die Abstimmung in Nevada.

Anhänger von US-Präsident Trump protestieren vor dem Clark County Election Department in Las Vegas gegen die Abstimmung in Nevada.

Foto: dpa/John Locher

Genährt werden sie teilweise auch von der Präsidenten-Familie. Wie am Mittwochabend, als Trump-Sohn Eric bei einer Pressekonferenz in Philadelphia (Pennsylvania) ein kurzes Video präsentierte, das einen angeblichen Wahlbetrug zeigen sollte. Zu sehen war, wie ein Bündel von Stimmzetteln in einer Tonne verbrannt wurde. Wenig später stellte sich heraus: Es waren Muster-Stimmzettel für eine Schulung, die niemals in Wählerhand geraten waren.

Auch die Klagen, die das Trump-Team mittlerweile in mehreren Bundesstaaten gegen das Auszählungsverfahren eingereicht hat, befeuern die Ansicht unter seinen Fans, sie würden um den Sieg betrogen – eine Meinung, die Trump bereits in der Wahlnacht bei seinem viel kritisierten Auftritt verbreitet hatte. Dort hatte er von einem „großen Betrug an der Öffentlichkeit“ gesprochen – eine unbewiesene Behauptung, die dennoch schnell auf fruchtbaren Boden fiel. Was keine Überraschung ist. Denn schließlich hatte Trump die letzten fünf Jahre damit verbracht, von Wahlmanipulationen gegen ihn zu fantasieren, die Medien als Mittäter und Feinde des Volkes zu bezeichnen und daran zu glauben, dass ein „Staat im Staate“ geführt von Anhängern Barack Obamas gegen ihn intrigiere.

Und das hat Folgen. Als beispielsweise spät in der Wahlnacht einige Bundesstaaten Pausen bei der Meldung von Stimmen hatten, weil Voten sortiert und geprüft werden mußten, witterten Anhänger des Präsidenten schnell Verrat. In sozialen Medien wie Facebook fanden sich zahlreiche Meinungen, die der von Liz Montalvo aus dem Bundesstaat Texas ähnelten: „Sie haben das Zählen gestoppt, weil Trump und die Republikaner gewinnen. Es gibt keinen anderen logischen Grund dafür.“

Im umkämpften Bundesstaat Arizona, den Joe Biden nach letzten Berechnungen mit voraussichtlich über 50 Prozent dem konservativen Lager abnehmen wird, verbreitete sich am Mittwoch das Gerücht wie ein Lauffeuer, Tausende von Stimmen für Trump seien disqualifiziert worden, weil das Kreuzchen mit einem im Wahllokal zur Verfügung gestellten Filzschreiber gemacht worden war. Doch was bei der Verbreitung dieses „Skandals“ auf konservativen Web-Portalen und Twitter nicht gemeldet wurde, ist dies: Es war den Bürgern sogar empfohlen worden, diese Stifte zu nutzen. Arizonas Staatssekretärin Katie Hobbs meldete sich zu Wort, um die Spekulationen – die mit der auf Video festgehaltenen falschen Behauptung einer Trump-Anhängerin begonnen hatten – zu zerstreuen. Alle mit diesem Stift ausgefüllten Stimmzettel würden gezählt, sagte sie. Und falls die Maschinen sie nicht lesen könnten, würde dies manuell erledigt. Es gebe keinerlei Grundlage für eine Verschwörung. Dennoch fanden sich in der Nacht zu gestern in Arizona Dutzende von teilweise bewaffneten Trump-Unterstützern vor Wahllokalen und dem „State Capitol“ ein, um in Sprechchören zu fordern: „Zählt die Stimmen!“ Auch in Michigan, Nevada und Pennsylvania wurde demonstriert.

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