Autofreie Pläne Das Zentrum der (grünen) Revolution

Paris · Die Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo will Autos aus der Stadt verbannen – und kommt an.

 Autofreie Sonntage – wie hier vor zwei Wochen auf den Champs-Élysées – gibt es in Paris schon. Doch die Bürgermeisterin hat noch viel mehr vor.

Autofreie Sonntage – wie hier vor zwei Wochen auf den Champs-Élysées – gibt es in Paris schon. Doch die Bürgermeisterin hat noch viel mehr vor.

Foto: dpa/Thibault Camus

Frankreichs Hauptstadt erstickt im Verkehr. Jeden Tag schieben sich kilometerlange Autoschlangen durch Paris, machen Lärm, verpesten die Luft. Anne Hidalgo will sich das nicht mehr länger ansehen. Die Bürgermeisterin hat einen Entschluss gefasst, den sie ziemlich rigoros umsetzt: Sie will die Autos aus der Innenstadt drängen und Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren bis 2030 völlig aus der Stadt verbannen. Fast alle ihrer Vorgänger haben den täglichen Verkehrsinfarkt und die Luftverschmutzung als eines der zentralen Probleme erkannt, doch keiner hat sich mit solch einer Vehemenz auf das Thema gestürzt wie die 60-Jährige – was auch damit zu tun haben mag, dass sie 2020 wiedergewählt werden will. Ihr Kalkül: Weniger als 40 Prozent der im Stadtzentrum wohnenden Pariser – also ihrer Wähler – haben privat ein Auto. Die Straßen werden vor allem von Pendlern verstopft, die jeden Tag aus dem Großraum Île-de-France in die Innenstadt drängen.

Anne Hidalgo betont immer wieder, dass sie keine „Feindin“ des Autos sei, sondern lediglich für bessere Luft und mehr Lebensqualität in der Stadt kämpfe. Diesen Weg geht sie konsequent. So muss inzwischen jedes Auto im Zentrum eine Umweltplakette an der Windschutzscheibe haben. Diesel-Autos und leichte Nutzfahrzeuge, die vor dem 1. Januar 1997 zugelassen wurden, sind bereits vom Stadtverkehr ausgeschlossen. Ebenso alle Busse und Lastwagen, die älter als 14 Jahre sind. Die Kriterien sollen allmählich verschärft werden, gleichzeitig werden Parkplätze gezielt rar und teuer gemacht.

Hidalgo will aber nicht nur den Verkehr zurückdrängen, sondern auch Flächen für die Menschen zurückgewinnen. Vorbei sind die Zeiten, in denen der damalige Premierminister Georges Pompidou erklärte: „Die Stadt muss sich dem Auto anpassen“. Historische Bilder zeigen den Autonarren am Steuer seines Porsche, wie er, eine Zigarette locker im Mundwinkel, über die vielspurigen Straßen von Paris braust. Da wirkt es fast wie ein Racheakt der aktuellen Bürgermeisterin, dass sie ausgerechnet einen Teil der Voie Georges Pompidou zwischen dem Tunnel der Tuilerien und dem Bassin de l’Arsenal für den Verkehr sperren ließ, um die Asphaltpiste den Fußgängern und Radfahrer zurückzugeben. Inzwischen musste allerdings zumindest eine Hälfte der Straße wieder geöffnet werden, ein Gericht befand das Hoppla-Hopp-Vorgehen dann doch etwas zu unkonventionell.

Den Verkehr aus der Stadt zu verbannen, heißt zwangsläufig aber auch, den Nahverkehr auszubauen. Der ist im Moment in den Stoßzeiten hoffnungslos überlastet, zudem ist es schwierig, aus manchen Vororten ins Stadtzentrum zu gelangen.

Das alles soll sich in den nächsten Jahren ändern. Entscheidende Erleichterung soll der „Grand Paris Express“ bringen – ein Milliardenprojekt. Vereinfacht gesagt, ist der GPE eine Ringbahn um Paris, die die Stadt im Abstand von zehn Kilometern umrundet und von der vier neue Métro-Linien in die Innenstadt abzweigen werden. Insgesamt sind 200 Kilometer neue Strecke im Bau, angeschlossen werden 68 Bahnhöfe. An diesen Knotenpunkten soll auch städtebaulich nachgearbeitet werden, 70 000 neue Wohnungen sollen dort entstehen inklusive einer neuen Infrastruktur für die Bewohner.

Der Ärger ist bei solch einem Mammutprojekt allerdings programmiert. 2017 wurde das Projekt nach sechs Jahren Bauzeit kurzzeitig gestoppt. Der Grund: die Explosion der Kosten von 25 auf geschätzte 35 Milliarden Euro. Dann zeigte sich, dass der Zeitrahmen nicht eingehalten werden und die zentralen Arbeiten erst deutlich nach den Olympischen Spielen in Paris im Jahr 2024 fertig werden. Angepeilter Eröffnungstermin ist nun 2030.

Die Olympischen Spiele sind für Anne Hidalgo inzwischen zu einem zentralen Termin bei ihrer Planung geworden. Sie sind ein Hebel, um für Projekte Geld locker zu machen und Kritiker zeitlich unter Druck zu setzen. „Die Olympischen Spiele werden ökologische Spiele sein, und wir werden den umweltgerechten Umbau der Infrastruktur vorantreiben“, erklärt sie. Das betreffe die Radwege in der Stadt, den Autoverkehr, den öffentlichen Nahverkehr und auch die Ausweitung der Grünflächen.

In diesem Rahmen will sie auch das gesamte Gelände rund um den Eiffelturm in eine begrünte Zone verwandeln, einen 54 Hektar großen Park, in dem die Besucher nicht mehr den Lärm des Verkehrs, sondern „das Singen der Vögel hören sollen“, verspricht Hidalgo. Die zwischen Trocadéro und Eiffelturm liegende Pont d’Iéna soll begrünt und für den Verkehr gesperrt werden. Die vielbefahrene Uferstraße am Eiffelturm soll von vier auf zwei Spuren verengt werden – zudem soll nur noch Tempo 20 gelten. Geschätzte Kosten: 72 Millionen Euro. Geplante Eröffnung: kurz vor Olympia.

 Kämpft gegen den Pariser Verkehrskollaps: Bürgermeisterin Anne Hidalgo.

Kämpft gegen den Pariser Verkehrskollaps: Bürgermeisterin Anne Hidalgo.

Foto: dpa/Eric Risberg

Hidalgos Kritiker werfen der Bürgermeisterin inzwischen eine Art verkehrstechnischen Hyperaktivismus vor – können aber nichts dagegen einwenden, wenn sie die Stadt für ihre stau-, smog- und lärmgeplagten Bewohner lebenswerter machen will. Die Wähler scheinen es ihr zu danken. In Umfragen steigt die Beliebtheit der tatkräftigen Bürgermeisterin stetig an.

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