Parlamentswahl in Israel Netanjahus Likud liegt nach Wahl vorne

Jerusalem · Der bisherige Regierungschef beschert seiner rechtskonservativen Partei in Israel einen Erfolg. Doch die Mehrheit für eine Regierung fehlt ihm.

 Von einem „Riesensieg“ sprach Likud-Chef und Ministerpräsident Benjamin Netanjahu nach Auszählung der meisten Stimmen in der Nacht zum Dienstag. Hier umarmt er seine Frau Sara, gefeiert von seinen Anhängern.

Von einem „Riesensieg“ sprach Likud-Chef und Ministerpräsident Benjamin Netanjahu nach Auszählung der meisten Stimmen in der Nacht zum Dienstag. Hier umarmt er seine Frau Sara, gefeiert von seinen Anhängern.

Foto: dpa/Ilia Yefimovich

Rund zwei Wochen vor Beginn eines Korruptionsprozesses gegen Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu ist dessen Likud-Partei bei der Parlamentswahl stärkste Kraft geworden. Nach der Auszählung von 90 Prozent der Stimmen kam der rechtskonservative Likud auf 36 der insgesamt 120 Sitze im Parlament, wie die Nachrichtenseite ynet am Dienstag berichtete. Das Mitte-Bündnis Blau-Weiß von Herausforderer Benny Gantz erhielt demnach nur 32 Mandate. Danach käme der rechts-religiöse Block auf 59 Sitze, der Mitte-Links-Block auf 54. Jedes der beiden Lager würde damit erneut die Regierungsmehrheit von 61 Sitzen verfehlen.

Die Parlamentswahl am Montag war bereits die dritte Wahl innerhalb eines Jahres, weil zuvor kein Lager eine Regierungsmehrheit erreicht hatte. Unklar ist derzeit, ob Netanjahu aufgrund der Anklage überhaupt mit der Regierungsbildung beauftragt werden kann. Bürgerrechtler reichten am Dienstag eine entsprechende Petition gegen Netanjahu beim Höchsten Gericht ein. „Eine Person, die für ihre Freiheit vor Gericht kämpft, kann keine Regierung anführen“, sagte Tomer Naor, Rechtsberater der Bewegung für Qualitätsregierung. „Er wird jede Woche zwei, drei Tage im Gericht sein.“ Die Generalstaatsanwaltschaft wirft Netanjahu Betrug und Untreue sowie Bestechlichkeit vor. Prozessauftakt ist am 17. März in Jerusalem. Es geht um den Verdacht der Beeinflussung von Medien, angebliche Deals mit Unternehmen und Luxusgeschenke befreundeter Geschäftsleute im Gegenzug für politische Gefälligkeiten. Der Regierungschef hat alle Vorwürfe zurückgewiesen.

Rein rechnerisch bleibt noch die Möglichkeit einer großen Koalition mit dem Likud und Blau-Weiß. Allerdings lehnt Gantz eine Regierung mit dem Likud unter der Führung Netanjahus wegen dessen Korruptionsanklage ab. Netanjahu wiederum hatte im Wahlkampf betont, er strebe eine rechts-religiöse Koalition an.

Vor jubelnden Anhängern in Tel Aviv sprach der 70-jährige Netanjahu in der Nacht zum Dienstag von einem „Riesensieg“. Er werde nun „eine starke nationale Regierung einrichten, die gut für Israel ist“, kündigte er an. Nach Angaben von Maoz Rosenthal, Politikexperte vom Interdisziplinären Zentrum in Herzlija, holte der Likud sein stärkstes Ergebnis seit 2003.

Gantz äußerte sich bei einer Ansprache in Tel Aviv enttäuscht über den Wahlausgang, betonte aber, er wolle seinen politischen Weg fortsetzen.

Netanjahu kündigte zudem Friedensverträge mit „weiteren arabischen und muslimischen Staaten“ an. Der seit 2009 amtierende Ministerpräsident bekräftigte gleichzeitig Pläne zur Annexion israelischer Siedlungen im besetzten Westjordanland. Außerdem werde er „die iranische Bedrohung beseitigen“.

Führende Palästinenservertreter kritisierten den Ausgang der Parlamentswahl in Israel. „Netanjahu hat entschieden, dass die Fortsetzung der Besatzung und des Konfliktes das ist, was Israel Fortschritt und Wohlstand bringt“, teilte der Generalsekretär der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO), Saeb Erekat, mit. „Damit hat er sich dafür entschieden, die Grundlagen und die Säulen des Konfliktes sowie den Kreislauf von Gewalt, Extremismus, Chaos und Blutvergießen zu festigen.“

Das rechte Lager besteht aus Netanjahus Likud, dem Jamina-Parteienblock von Verteidigungsminister Naftali Bennett und den strengreligiösen Parteien. Die rechtsextreme Ozma Jehudit (Jüdische Kraft) scheiterte an der Sperrklausel von 3,25 Prozent. Zum Mitte-Links-Lager wird neben Gantz‘ Bündnis Blau-Weiß, der linksliberalen Liste von Arbeitspartei, Merez und Gescher auch die Vereinigte Arabische Liste gezählt. Die arabischen Parteien kamen laut ynet bisher auf 17 Mandate. Allerdings gelten sie nicht als potenzielle Koalitionspartner.

Der rechte Ex-Verteidigungsminister Avigdor Lieberman wurde auch bei dieser Wahl als Königsmacher gesehen. Seine Partei Israel Beitenu (Unser Haus Israel) erhält ynet zufolge bisher sechs Mandate. Lieberman hatte Netanjahu nach einer Wahl im April vergangenen Jahres seine Unterstützung entzogen. Hintergrund ist ein Streit mit Netanjahus strengreligiösen Bündnispartnern über die Wehrpflicht auch für ultra-orthodoxe Männer.

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