Benennung der Vizepräsidentin Joe Biden und die schwierige „Vize“-Frage

Washington · Bisher hat der Demokrat Joe Biden, im April zum Präsidentschafts-Kandidaten gekürt, seine Kampagne nach der Devise geführt: So wenig wie möglich reden, und wenn gesprochen wird, bloß keine Fehler machen.

 Trump-Herausforderer Joe Biden will nächste Woche seine mögliche Vize-Präsidentin vorstellen.

Trump-Herausforderer Joe Biden will nächste Woche seine mögliche Vize-Präsidentin vorstellen.

Foto: dpa/Andrew Harnik

Der 77-Jährige kann sich eine solche Strategie leisten. Denn von den Umfragen her liegt er deutlich vor Donald Trump. Dies erleichtert auch den Weg zum nächsten Meilenstein, den Biden ansteuert: In der kommenden Woche will er bekannt geben, welche Frau seine Vizepräsidentschafts-Kandidatin wird. Und dabei dürfte sich der Bewerber, der sich früh auf eine Frau festgelegt hatte, nach dieser historischen Leitlinie richten: Eine gute Auswahl bei der Stellvertreter-Frage gibt dem Kandidaten am Wahltag gewöhnlich nicht viele Bonuspunkte – doch eine schlechte Entscheidung kann großen Schaden anrichten.

Das bekam besonders der Republikaner John McCain zu spüren. Er hatte 2008 Sarah Palin, die damalige Gouverneurin von Alaska, als Stellvertreterin nominiert, um im Duell gegen Barack Obama mit frischem Blut für Aufmerksamkeit zu sorgen. Doch Palin blamierte sich in ihren ersten TV-Interviews und zeigte einen eklatanten Mangel an Allgemeinbildung – was am Ende ein schlechtes Licht auf McCain warf. Doch es drohen auch andere Gefahren, wie die Ära George W. Bush zeigte. Während seiner Präsidentschaft gelang es Vize Dick Cheney, ein alternatives Machtzentrum zu etablieren, das auf viele politische Fragen – wie beispielsweise den Einmarsch im Irak – starken Einfluss nahm.

Diese politischen Realitäten nehmen den Druck von Biden, obwohl seine Parteifreunde versuchen, eben jenen Druck im eigenen Interesse auszuüben. Er müsse unbedingt eine Schwarze berufen, tönt es aus der einen Ecke. Andere wiederum wollen vor allem eine Progressive auf dem Vize-„Ticket“ sehen – und meinen damit vor allem die Senatorin und frühere Mitbewerberin Elizabeth Warren, die vor allem Jungwähler und Linke in der Partei ansprechen würde und die weiß ist. An Schwarzen mangelt es im Berichten zufolge stark geschrumpften Auswahlfeld jedenfalls nicht. Als Favoritin wird momentan immer wieder die kalifornische Senatorin und Ex-Staatsanwältin Kamala Harris genannt, die wie Warren einst die Nominierung der Demokraten angestrebt hatte. Aber auch Susan Rice, die frühere Sicherheitsberaterin von Barack Obama, scheint gut im Rennen – zumal sie die Rückendeckung ihres früheren Chefs hat, der offenbar Biden gegenüber Ratschläge gibt, was den Wahlkampf angeht.

Zudem fallen auch Namen, die eher regional bekannt sind und deshalb als Außenseiter eingestuft werden müssen. Die Senatorin Tammy Duckworth aus Illinois zählt dazu, eine nach einem Absturz im Irak beinamputierte Ex-Hubschrauberpilotin der US-Armee. Oder die farbige Abgeordnete Karen Bass aus Los Angeles.

Die Personalfrage wird in diesem Wahljahr zudem vom Aspekt des Alters von Joe Biden überschattet. Zum einen ist die Wahrscheinlichkeit diesmal deutlich höher, dass Biden – verglichen beispielsweise mit dem vital-sportlichen Obama – seine Amtszeit als Präsident aus gesundheitlichen Gründen nicht beenden kann. US-Präsident Donald Trump hat in den letzten Monaten keinen Hehl daraus gemacht, dass er Biden für geistig nicht voll auf der Höhe hält.

Sollten sich solche Zweifel tatsächlich in einer ersten Amtszeit Bidens realisieren, würde es ihm schwer fallen, die eigene Partei von einem zweiten „Term“ zu überzeugen. Wer immer ihm als Vize dient, wäre dann bereits in guten Startlöchern für eine Bewerbung im Jahr 2024.

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