Wende im russisch-ukrainischen Konflikt? Moskau und Kiew tauschen Gefangene aus

Moskau/Kiew · Als historischer Moment gilt er schon. Bereitet der Austausch den Weg für eine Wende – oder sogar die Lösung des Ukraine-Konflikts?

  Voller Erwartung und Freude winken Verwandte der entlassenen Gefangenen bei deren Ankunft am Internationalen Flughafen von Kiew. Dort landeten die seit vergangenem November in Russland inhaftierten 24 Seeleute . Insgesamt sollten auf jeder Seite 35 Gefangene ausgetauscht werden.

Voller Erwartung und Freude winken Verwandte der entlassenen Gefangenen bei deren Ankunft am Internationalen Flughafen von Kiew. Dort landeten die seit vergangenem November in Russland inhaftierten 24 Seeleute . Insgesamt sollten auf jeder Seite 35 Gefangene ausgetauscht werden.

Foto: dpa/-

Nach Jahren der Konfrontation im Ukraine-Konflikt haben Moskau und Kiew einen beispiellosen Gefangenenaustausch vollzogen. Vor allem auf dem ukrainischen Flughafen Borispol in Kiew kam es zu ergreifenden Szenen mit innigen Umarmungen und Freudentränen. Dort landeten die seit November in Russland inhaftierten 24 ukrainischen Seeleute. Nach mehr als fünf Jahren in russischer Gefangenschaft kam auch der Regisseur Oleg Senzow frei. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj begrüßte die Männer persönlich mit Handschlag und umarmte einige. Er und Kremlchef Wladimir Putin hoben in einem Telefonat am Samstagabend vor allem den humanitären Aspekt der Aktion hervor.

Der Austausch habe eine große Bedeutung für eine Normalisierung und Gesundung der bilateralen Beziehungen, teilten die Präsidialverwaltungen in Moskau und Kiew mit. Selenskyj sagte, dass er und Putin das Vorhaben gemeinsam umgesetzt hätten. „Ich denke, das ist die erste Etappe. Und wir müssen alle Schritte unternehmen, um diesen schrecklichen Krieg zu beenden“, sagte Selenskyj auf dem Flughafen. Gemeint ist der Krieg in der Ostukraine zwischen Kiews Regierungstruppen und den von Moskau unterstützten Separatisten.

Präsident Selenskyj will möglichst schnell einen Gipfel im so bezeichneten Normandie-Format – mit Russland, Deutschland und Frankreich – organisieren, um den Friedensprozess wiederzubeleben. In ihrem Telefonat – das inzwischen dritte – hätten Putin und Selenskyj auch betont, wie wichtig die Einhaltung der Waffenruhe im Kriegsgebiet Ostukraine sei, hieß es. Die Feuerpause ist brüchig. Immer wieder kommt es zu Scharmützeln mit Todesfällen auf beiden Seiten. Die beiden Staatschefs bekräftigten demnach auch das Ziel, die bewaffneten Kräfte von der Demarkationslinie abzuziehen.

Grundlage für diesen Friedensprozess ist ein 2015 in Minsk vereinbartes Abkommen für die Ostukraine, das auf Eis liegt. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) nannte den Austausch ein „hoffnungsvolles Zeichen“. Es lohne sich, weiter mit aller Kraft an der Umsetzung des Minsker Friedensplans zu arbeiten. „Die Bundesregierung ist dazu bereit“, teilte Merkel mit. Die EU-Außenbeauftragte Frederica Mogherini betonte, die EU erwarte nun, dass beide Seiten auf dem Erreichten aufbauten. Auch US-Präsident Donald Trump begrüßte den Gefangenenaustausch. „Sehr gute Nachrichten, vielleicht ein erster großer Schritt zum Frieden“, schrieb Trump am Samstag auf Twitter. „Glückwunsch an beide Länder!“

Mehrere russische Politiker, die sonst eher zurückhaltend sind, sprachen von einem „historischen Ereignis“ im Verhältnis beider Länder. Das russische Außenministerium sprach von einem „wichtigen Schritt“. Diese Stimmung könne genutzt werden für die Lösung weiterer Probleme, teilte eine Ministeriumssprecherin mit. Der prominente russische Außenpolitiker Konstantin Kossatschow sagte, dass der politisch bedeutende Gefangenenaustausch den Minsker Friedensprozess beleben könne. Kossatschows Kollegen im Föderationsrat – im Oberhaus des Parlaments – meinten, die neue ukrainische Führung zeige, dass sie in der Lage sei, Kompromisse einzugehen.

Putin hatte den Gefangenenaustausch am Donnerstag angekündigt, der die Beziehungen beider Länder verbessern könne. Selenskyj sagte, er wolle sich mit Putin auch um die Freilassung der restlichen Gefangenen bemühen. In Kiew sagte die Menschrechtsbeauftragte des Parlaments, Ljudmila Denissowa, dass noch 110 Ukrainer in russischer Haft seien.

Mit dem Austausch hat der ukrainische Präsident Selenskyj eines seiner zentralen Wahlversprechen eingelöst. Ausgetauscht werden sollten auf jeder Seite 35 Gefangene. Unterstützung hatte Selenskyj  nicht nur von Merkel, sondern auch vom französischen Präsidenten Emmanuel Macron.

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