Mord an Journalistin Ein filmreifer Skandal erschüttert Maltas Politik

Valletta · „Mafia, Mafia“, „Kriminelle“, „Gerechtigkeit“. Die Wut der Demonstranten bricht sich auch am Sonntag wieder Bahn. Malta erlebt die schwerste politische Krise seit Jahrzehnten.

 Maltas PremierJoseph Muscat will zurücktreten.

Maltas PremierJoseph Muscat will zurücktreten.

Foto: dpa/Jonathan Borg

Seit Tagen gehen Menschen in dem kleinsten EU-Land auf die Straße und protestieren gegen korrupte Politiker und einen „Mafia-Staat“. Sie halten Bilder der ermordeten Journalistin Daphne Caruana Galizia hoch. Sie verlangen Gerechtigkeit für einen Mord, dessen Aufklärung die Regierung in Valletta die letzten zwei Jahre offensichtlich verschleppt hat – wenn sie ihn nicht gar vertuschen wollte.

Nach Tagen voller spektakulärer Enthüllungen fällt nun Premierminister Joseph Muscat. Der Regierungschef kündigte am Sonntagabend an, als Chef seiner Labour-Partei zurückzutreten, wenn am 12. Januar ein Nachfolger gewählt werde. Danach wolle er auch als Premierminister abtreten. Wann genau, ließ er aber offen.

Die Hintergründe dieser Polit-Affäre könnten aus einem Gangsterfilm stammen: Caruana Galizia wurde im Oktober 2017 mit einer Autobombe in der Nähe ihres Hauses auf der kleinen Mittelmeerinsel in die Luft gesprengt. Sie hatte in ihrem Blog Korruption und Vetternwirtschaft in Politik und Wirtschaft des Landes angeprangert und zu den sogenannten „Panama Papers“ recherchiert. Zwar wurden drei Männer angeklagt, den Mord ausgeführt zu haben. Doch wer waren die Drahtzieher? Seit zwei Jahren ist kaum etwas passiert, das zur Aufklärung beigetragen hätte.

Nun könnte zumindest ein Hintermann entlarvt werden. Und dies erschüttert die Regierung bis ins Mark: Denn der Mann hatte auch Kontakte bis in die obersten Schaltstellen der Macht. Der Unternehmer Yorgen Fenech wurde am Samstag einer Mittäterschaft beschuldigt und angeklagt. Der kahlköpfige, zigarettenrauchende Mann mit Nadelstreifenanzug und Sonnenbrille war auf einer Luxusjacht festgenommen worden, als er angeblich flüchten wollte. Er wollte Straffreiheit gegen Informationen zu dem Mord eintauschen – das blieb ihm verwehrt. Er beteuert seine Unschuld.

Fenech ist Direktor eines Konsortiums, das 2013 von der Regierung einen Auftrag bekam, ein Gaskraftwerk zu bauen. 2018 kam heraus, dass ihm auch die geheime Offshore-Gesellschaft 17 Black gehörte. Über dieses Unternehmen hatte Caruana Galizia Monate vor ihrem Tod geschrieben.

Das Spektakulärste: Fenech will offenbar wissen, dass auch der damalige Kabinettschef des Premiers, Keith Schembri, in den Mord verwickelt war – also einer der engsten Mitarbeiter Muscats. Schembri wurde auch festgenommen, aber wieder freigelassen. Auch er gibt sich unschuldig. Die Empörung ist riesig.

„In dieser unglaublichen Woche der Gerechtigkeit für meine Mutter tauchen immer mehr Beweise auf, dass die mächtigste Figur in der maltesischen Regierung an ihrer Ermordung beteiligt war und die Position nutzte, den Mord zu vertuschen“, twitterte Andrew Caruana Galizia.

Auch zwei Minister stolperten über die Affäre: Tourismusminister Konrad Mizzi und Wirtschaftsminister Chris Cardona. Die Journalistin hatte unter anderem Schembri und Mizzi bezichtigt, Schmiergelder von Fenech angenommen zu haben.

Die Stimmung im Volk ist gekippt. „Die Politik ist auf dem tiefsten Punkt angekommen. Wir hatten gute und schlechte Premierminister, aber niemals eine Regierung, die in einen Auftragsmord verwickelt war“, sagt Autor Manuel Delia, der ein Buch über den Fall geschrieben hat und bei den Protesten auftritt. „Malta hat international so einen schlechten Ruf wie nie zuvor.“

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