U2-Sänger in der Kritik Moralapostel gerät ins Visier – Bono und die „Paradise Papers“

London · Der U2-Frontmann soll mehrere Briefkasten-Firmen besitzen. Da kochen alte Heuchler-Vorwürfe gegen den „Robin Hood der Popmusik“ wieder hoch.

 Ausgerechnet Bono von U2, der gerne gegen Armut ansingt, taucht in den „Paradise Papers“ auf.

Ausgerechnet Bono von U2, der gerne gegen Armut ansingt, taucht in den „Paradise Papers“ auf.

Foto: dpa/Michel Euler

(dpa/afp) Bono, der Weltverbesserer. Der, der gegen Aids in Afrika kämpft, beim Live Aid gegen Armut ansingt. Fairer Handel, Schuldenerlass für Dritte-Welt-Länder, Menschenrechte – der U2-Sänger gibt sich gern als Robin Hood der Popmusik. Jetzt taucht ausgerechnet er als Besitzer mehrerer Briefkastenfirmen in den „Paradise Papers“ auf. Ein Moralapostel mit Steuer-Schlupflöchern? Das gibt den „Heuchler“-Rufern neue Nahrung.

Es geht um ein Einkaufszentrum in Litauen, in das der Frontmann der irischen Rockband über Firmen in Malta und Guernsey investiert hat. Das war 2007, im gleichen Jahr, in dem Bono beim G8-Gipfel in Heiligendamm gegen die Armut in der Welt ansang. Was will dieser Mann in Litauen, wo er bisher nicht einmal ein Konzert gegeben hat?, fragen Kritiker.

Auf Anfrage von „Süddeutscher Zeitung“, NDR und WDR bestätigte sein Management, dass der 57-Jährige – mit bürgerlichem Namen Paul David Hewson – Anteile an den fraglichen Firmen hielt und noch immer hält. Brisant ist: Laut „Süddeutscher Zeitung“ zahlte das litauische Einkaufszentrum in den zehn Jahren seines bisherigen Bestehens keinen Cent Steuern auf Unternehmensgewinne. Und das, obwohl es zwischen 2013 und 2016 jährlich rund 100 000 Euro Profit gemacht haben soll.

Bonos Management sagt Berichten zufolge, der Sänger sei ein „passiver Minderheitsinvestor“. Der Vorwurf des Steuerverstoßes sei „kategorisch falsch“.

Der Rocksänger zeigte sich „erschüttert“ über die Erkenntnisse aus den „Paradise Papers“. Etwas, was „alles andere als vorbildlich war“, sei unter seinem Namen getan worden, erklärte Bono in einer Stellungnahme, die dem „Guardian“ und der BBC vorlagen. Auch Bono selbst bezeichnete sich als „passiven“ Investoren und betonte, ihm sei von den Verantwortlichen der Unternehmen versichert worden, dass die Firmen sich voll und ganz an die Steuervorschriften hielten.

Der Sänger begrüßt nach eigenen Angaben die neuen Enthüllungen über Steuertricks von Firmen. „Tatsache ist, dass ich die Berichte begrüße“, erklärte er und forderte öffentlich zugängliche Register in den Steuerparadiesen. „Ich nehme diese Sache sehr ernst. Ich habe mich immer dafür ausgesprochen, dass Besitzer von Offshore-Firmen transparent agieren.“

Die „Paradise Papers“ waren der „Süddeutschen Zeitung“ zugespielt und ein Jahr lang von einem internationalen Team aus fast 400 Journalisten ausgewertet worden. Am Sonntag wurden auf diese Weise die Steuertricks von Politikern, Konzernen und Superreichen in aller Welt offengelegt.

Genannt werden etwa Sportartikelhersteller Nike sowie Computergigant Apple. Die Steuertricks internationaler Konzerne kosten allein Deutschland einer Schätzung zufolge jährlich rund 17 Milliarden Euro. In der EU sind es insgesamt etwa 60 Milliarden Euro im Jahr, wie der Wirtschaftswissenschaftler Gabriel Zucman berechnete.

Als Privatpersonen tauchen in den „Paradise Papers“ unter anderem der kanadische Premier Justin Trudeau sowie Lewis Hamilton auf. Der Formel-1-Weltmeister soll etliche Briefkastenfirmen besitzen. Eine davon auf der Isle of Man soll er genutzt haben, um bei der Einfuhr eines Privatjets mehr als vier Millionen Euro an Mehrwertsteuer zu sparen.

Und dann ist da ausgerechnet Bono. Illegal sind dessen Investments wohl nicht. Doch es bleibt ein bitterer Beigeschmack. Denn viele werfen dem „Saubermann“ nun Heuchelei vor. Wieder einmal, denn für Finanztricks hat Bono bereits zuvor Kritik eingesteckt. Sein Millionenvermögen verwaltet er Berichten zufolge in einem komplizierten Firmennetzwerk. Seine Band U2 meldete sich in die Niederlande um, weil in ihrer Heimat Irland Steuerprivilegien für Künstler gestrichen werden sollten. Aktivisten hielten ihm ein Banner unter die Nase mit „U pay tax 2?“ – Zahlst du auch Steuern? Er habe kluge Leute, die für ihn arbeiteten und aufpassten, wie er besteuert werde, verteidigte sich Bono danach. Und übrigens zahle U2 ein Vermögen an Steuern. So ist die Musik dann eben doch wieder nur ein geldbringender Job. Wirtschaft statt Weltfrieden?.

In Großbritannien kochen die „Heuchler“-Vorwürfe von damals angesichts der neuen Enthüllungen wieder hoch. „Bono hätte die Welt ernähren können mit den Millionen, die er in seinem sicheren Hafen versteckt hat“, liest man auf Twitter. Andere werfen dem Mann mit den auffällig getönten Brillen Doppelmoral vor, zeigen sich tief enttäuscht. Öffentlich und doppeldeutig fragen sie: „Cui Bono?“ – „Wem zum Vorteil?“

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