Parteitag der US-Demokraten „Donald Trump ist der falsche Präsident für unser Land“

Milwaukee · Zu Beginn des viertägigen Wahlparteitags der US-Demokraten hält die ehemalige First Lady Michelle Obama eine leidenschaftliche Rede.

  Michelle Obama nimmt per Video Stellung gegen den Egoismus und für Empathie – gerade in Zeiten der Pandemie.  

Michelle Obama nimmt per Video Stellung gegen den Egoismus und für Empathie – gerade in Zeiten der Pandemie.  

Foto: dpa/Uncredited/Democratic National Convention/AP

Empathie, sagt Michelle Obama, die letzte Rednerin am ersten Abend des Wahlparteitags der Demokraten, über Empathie habe sie oft nachgedacht in dieser Epidemie. Wenn man sehe, dass jemand leide oder zu kämpfen habe, gehe man auf diese Person zu. So bringe man es auch seinen Kindern bei, doch zurzeit erlebten die Kinder des Landes, was passiere, wenn man aufhöre, voneinander dieses Mitgefühl einzufordern.

In bitteren Worten beschreibt die ehemalige First Lady, wozu schrankenloser Egoismus im pandemiegeplagten Amerika führt. Sie spricht von Leuten, „die im Supermarkt herumschreien, nicht bereit, eine Maske zu tragen, um uns alle zu schützen“. Sie beschreibt ein Anspruchsdenken, das besage, dass nur bestimmte Leute in dieses Land gehörten, dass Gier gut und Gewinnen alles sei, „denn solange du die Oberhand hast, kann dir egal sein, was mit den anderen geschieht“. Nicht nur politisch bleibe die Nation hinter den Erwartungen zurück, sondern auch in Charakterfragen, fasst die Frau aus Chicago ihren Befund zusammen, um in schnörkelloser Prosa zum politischen Wandel aufzurufen.

„Lassen Sie es mich so ehrlich und klar sagen, wie es nur geht: Donald Trump ist der falsche Präsident für unser Land“, sagt Michelle Obama. „Wenn wir irgendeine Hoffnung haben, dieses Chaos zu beenden, dann müssen wir für Joe Biden stimmen, als hinge unser Leben davon ab.“ Der Adressat reagiert am nächsten Morgen mit einem Tweet, der für seine Verhältnisse zurückhaltend klingt: Jemand möge Michelle Obama bitte erklären, schreibt Trump, dass Donald J. Trump nicht hier wäre, „nicht im wunderschönen Weißen Haus“, wenn ihr Mann einen besseren Job gemacht hätte.

Mit der Gardinenpredigt der First Lady a.D. endet der erste von vier Kongresstagen, die allesamt rein virtuell über die Bühne gehen. Keine Menschenmassen in einer Halle, kein Applaus, keine stehenden Ovationen, keine Buhrufe wie 2016, als Anhänger des linken Senators Bernie Sanders ihrem Ärger über den Vorwahlsieg Hillary Clintons freien Lauf ließen. Eine Moderatorin, Eva Longoria, bekannt aus der Fernsehserie „Desperate Housewives“, führt durch das zweistündige Programm, als wäre es eine Zoom-Konferenz. Die hat so ihre Tücken, mal ruckelt das Bild, mal fällt der Ton aus. Aber die Reden sind weniger zahlreich und obendrein kürzer als sonst, was hinterher nur wenige kritisieren, und auch im rein virtuellen Format gibt es Reden, die unter die Haut gehen.

Da ist Kristin Urquiza, eine junge Frau aus Arizona, deren einst aus Mexiko eingewanderter Vater im Alter von 65 Jahren an den Folgen von Covid-19 starb. Nach den Worten seiner Tochter nahm er das Coronavirus nicht ernst genug, nachdem der Präsident die Gefahr heruntergespielt hatte. Er ging mit Freunden in eine Karaoke-Bar und steckte sich an. „Er hatte nur eine einzige Vorerkrankung: Donald Trump zu vertrauen“, klagt Kristin Urquiza. „Und dafür hat er mit seinem Leben bezahlt.“ Andrew Cuomo, der Gouverneur New Yorks, der Klartext redete, als sich das Ausmaß der Seuche abzuzeichnen begann, beklagt die tiefen politischen Schluchten der Republik. „Nur ein starker Körper kann das Virus besiegen, und unsere innere Spaltung hat ihn geschwächt.“ Trump, betont er, habe diese Gräben nicht geschaffen, vielmehr hätten die Gräben den Präsidenten Trump hervorgebracht. „Aber er hat alles noch schlimmer gemacht“, wettert Cuomo und stimmt ein Loblied auf Joe Biden an, den Herausforderer, den er als erfahrenen Brückenbauer charakterisiert.

Biden, der Versöhner. Biden, der Menschenfreund. Biden, der Leidgeprüfte, der schon deshalb zum Mitgefühl fähig ist, weil er nach einer Serie persönlicher Schicksalsschläge genau weiß, was Familien durchmachen, die durch das Coronavirus einen Angehörigen verloren haben. Joe Biden, das menschliche Kontrastprogramm zum Egomanen im Oval Office – das ist schon am ersten Abend das Thema.

Sanders, bei den Primaries Bidens härtester Rivale, beschreibt die Wahl am 3. November als eine, bei der die Zukunft der amerikanischen Demokratie auf dem Spiel stehe. Der Amtsinhaber, warnt er, steuere autoritäre Verhältnisse an. Für einen Paukenschlag sorgt John ­Kasich, ein Konservativer, der sich vor vier Jahren erfolglos um die Kandidatur fürs Weiße Haus bewarb. Dass er, ein Leben lang Republikaner, bei einem Konvent der Demokraten auftreten würde, wäre in normalen Zeiten undenkbar gewesen, schickt der Ex-Gouverneur von Ohio voraus. „Aber dies sind keine normalen Zeiten.“ Für eine Ausnahmesituation, schlussfolgert Kasich, sei Biden der richtige Mann, weil er die Nation zusammenführen könne. Keine Partei wisse auf alles eine Antwort, fügt er hinzu. „Doch was wir wissen, ist, dass wir es ganz gewiss besser machen können als heute.“

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