Frankreich Macron und das Ende der nationalen Kaderschmiede

Paris · In Frankreich geht eine Ära zu Ende. Präsident Emmanuel Macron hat das Aus für die nationale Verwaltungshochschule Ena verkündet. An die Stelle der Elitekaderschmiede solle das Institut des öffentlichen Dienstes treten, sagte der Staatschef Ende der Woche während einer Videokonferenz mit 600 hochrangigen Beamten und sprach von einer „tiefgreifenden Revolution“.

 Frankreichs Präsident Emmanuel Macron spricht in Sachen Ena von einer „Revolution“.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron spricht in Sachen Ena von einer „Revolution“.

Foto: dpa/Ludovic Marin

Der 43-jährige Macron hatte von 2002 bis 2004 selbst an der Ena studiert. Ein guter Abschluss in der Einrichtung öffnet in Frankreich weiter die Türen für die Topetagen in Verwaltung, Diplomatie, Politik und Privatwirtschaft.

Seit ihrer Gründung wird der Hochschule vorgeworfen, sie sei ein Eliteclub, betreibe intellektuelle Inzucht und in den Schulbänken säßen vor allem die Kinder der reichen Oberschicht aus der Hauptstadt Paris. Macrons erklärtes Ziel ist es, diesen Zustand zu beenden und mehr junge Leute aus bildungsfernen Schichten für den öffentlichen Dienst zu rekrutieren. Schon mehrere Präsidenten Frankreichs hatten in der Vergangenheit versucht, die Hochschule zu reformieren, waren allerdings am hinhaltendenden Widerstand des Apparates gescheitert.

Der neue Anlauf Emmanuel Macrons kommt allerdings nicht ganz freiwillig. Die Abschaffung der Ena war eine der zentralen Forderungen während der sozialen Proteste der „Gelbwesten“-Bewegung und der französische Staatspräsident hatte die Reform der Hochschule bereits im April 2019 angekündigt. Der soziale Aufzug funktioniere heute weniger gut als vor 50 Jahren, hatte der Präsident schon damals beklagt. Doch dann passierte erstmal nichts.

Natürlich soll auch am Institut des öffentlichen Dienstes, das die Ena künftig ablösen soll, der Nachwuchs für die Spitzenposten des Landes ausgebildet werden. In Zukunft sollen aber vor allem Begabung und Leistung und nicht mehr die Größe des Geldbeutels der Eltern über die Zulassung entscheiden. An der Ena bewerben sich auf die rund 100 Plätze mehrere Tausend junge Leute. Die Auswahl ist hart und längst gibt es spezielle Kurse, die classes préparatoires, in denen man sich auf die Aufnahmeprüfungen vorbereiten kann. Diese Kurse aber sind sehr teuer und das kann sich in der Regel nur der Nachwuchs aus betuchtem Hause leisten. Das heißt, die Eliten bleiben unter sich, Kinder aus anderen Familien haben kaum eine Chance, an der École Nationale d‘Administration angenommen zu werden. Zuletzt stammte nicht einmal mehr ein Fünftel der Studenten aus Arbeiterfamilien.

Allerdings kommt die Ankündigung für das Aus der Verwaltungshochschule nun doch überraschend. Frankreich befindet sich im Kampf gegen die Corona-Pandemie und scheint im Moment eigentlich andere Probleme zu haben. Kritiker vermuten, dass Macron mit dem Schritt seinen ramponierten Ruf als Reformer etwas aufbessern möchte. In zwölf Monaten sind Präsidentschaftswahlen und die Umfragewerte des Amtsinhabers verharren seit vielen Monaten auf niederem Niveau. Vielen Franzosen gilt Macron noch immer als Präsident der Reichen und der Eliten. Mit der Abschaffung der Ena will Macron nun offenbar demonstrieren, dass er auch die Forderungen der einfachen Franzosen nach mehr Transparenz und sozialer Gerechtigkeit erfüllt.

In die Kerbe, dass Macron ein Präsident der Reichen sei, zielt auch die Kritik an der geplanten Schließung. Daniel Keller, Präsident der ehemaligen Ena-Absolventen, sagt, dass es sich bei dem Schritt um „verschleierten Populismus“ handle. Die Ena werde geopfert, um die Wiederwahlchancen Macrons zu erhöhen. Das sei unverständlich, da Frankreich von der ganzen Welt um solch eine Ausbildungsstätte beneidet werde.

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