Kramp-Karrenbauer in Kabul Afghanen zwischen Gewalt und Hoffnung

Masar-i-Scharif/Kabul · Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer will die Regierung in Kabul bei Friedensgesprächen mit an den Tisch holen.

 Die deutsche Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer traf am Dienstag Afghanistans Präsident Aschraf Ghani in Kabul.

Die deutsche Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer traf am Dienstag Afghanistans Präsident Aschraf Ghani in Kabul.

Foto: dpa/Britta Pedersen

Sie starten fast täglich zu Angriffen auf die militant-islamistischen Taliban – und hoffen auf Frieden: Im nordafghanischen Masar-i-Scharif steigen am Dienstag Hubschrauber und Kampfflugzeuge der afghanischen Luftwaffe in den blauen Himmel. Am Tag und in der Nacht seien sie im Einsatz, sagt ein einheimischer Oberstleutnant am Rande der Militärvorführung, die zum Besuch der deutschen Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer die Kampfbereitschaft der afghanischen Streitkräfte zeigen soll. Doch: „Wir sind alle für Frieden. Wir wollen Frieden. Jeder hat genug vom Krieg“, sagt der Offizier.

Kurz darauf landet Militärpilot Taufik Safi sein Kampfflugzeug vom Typ A-29. Für die afghanischen Bodentruppen seien Luftunterstützung und der Einsatz lasergelenkter Waffen im Gefecht mit den Taliban enorm wichtig, sagt er. Die Zeit sei zwar reif für einen Frieden. Aber: „Wenn sie kämpfen, sind wir auch bereit, gegen sie zu kämpfen.“

Dazu sind die Piloten inzwischen durchaus in der Lage. „Bei der afghanischen Luftwaffe sind große Fortschritte gemacht worden“, sagt der deutsche Oberstleutnant Dierk N., der als Berater im Einsatz ist. Fast 1300 deutsche Soldaten sind in dem Land stationiert, davon knapp 1000 im Camp Marmal in Masar-i-Scharif. Im Norden Afghanistans ist Deutschland größter Truppensteller der Nato-Ausbildungsmission „Resolute Support“.

Bundesverteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer ist am Dienstag zu Gesprächen in Kabul, wo sie die politische Führung des Landes trifft. Ob es eine Einigung im Streit um die Auszählung der Präsidentenwahl gibt, ist eine Frage dieser Tage. Ende September wurde in dem Land mit geschätzten 35 Millionen Einwohnern die seit mehreren Monaten überfällige Präsidentenwahl abgehalten. Allerdings hat die Unabhängige Wahlkommission nach technischen Problemen und Vorwürfen der Wahlmanipulation immer noch keine Ergebnisse veröffentlicht. Sie hoffe, dass die Präsidentenwahl „zügig zu einem von allen nachvollziehbaren und akzeptierten Ergebnis“ führen wird, sagt Kramp-Karrenbauer.

Die CDU-Politikerin erlebt bei ihrem ersten Besuch ein Land zwischen Gewalt und der Hoffnung auf Verhandlungen. In der vergangenen Woche hatte US-Präsident Donald Trump bei einem unangekündigten Besuch diese Hoffnungen auf eine Einigung mit den Taliban genährt. Washington habe Gespräche über Wege zu Frieden mit den Islamisten weniger als drei Monate nach ihrem Abbruch wieder aufgenommen, sagte Trump. Er glaube, dass die Taliban mittlerweile auch eine Waffenruhe wollten.

„Wir sind der Auffassung, dass ein Friedensgespräch und ein Friedensschluss auf jeden Fall die afghanische Politik, die afghanischen Verantwortlichen miteinbeziehen muss“, sagt Kramp-Karrenbauer bei einer Pressekonferenz mit dem afghanischen Präsidenten Aschraf Ghani. Die Taliban lehnen direkte Gespräche mit der Regierung in Kabul bisher ab.

In den vergangenen Wochen gab es vor allem in Städten weniger Gewalt. In ländlichen Gebieten greifen Taliban-Kämpfer aber weiter regelmäßig Sicherheitskräfte der Regierung an; US- und afghanische Luftstreitkräfte bombardieren regelmäßig Taliban-Stellungen oder führen Kommandoaktionen durch.

Trump versuchte bei seinem Afghanistan-Besuch offenkundig auch, Sorgen über einen möglichen unangekündigten US-Truppenabzug zu zerstreuen. Er erklärte, die USA würden so lange in Afghanistan bleiben, bis ein „Deal“ mit den Taliban erzielt sei – „oder wir einen totalen Sieg haben“.

Gräueltaten der Taliban sind nicht vergessen und machen sie zu einem überaus schwierig zu akzeptierenden politischen Akteur. Der globale Terrorismus-Index verzeichnet für Afghanistan einen traurigen Rekord. 2018 starben dort 7379 Menschen durch Terrorismus, 60 Prozent mehr als 2017. Die Taliban lösten zuletzt die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) als tödlichste Gruppe ab.

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