Kommentar Eine Zäsur, die Jahrzehnte nachwirken kann

Was jetzt im US-Senat geschah, ist eine Zäsur. Ein Einschnitt, der auf Jahrzehnte nachwirken kann. Indem die republikanische Mehrheit Donald Trumps Favoritin für den freigewordenen Platz am Obersten Gerichtshof bestätigte, lässt sie den ideologisch gespaltenen Supreme Court so weit nach rechts rücken, wie es seit den 1930er Jahren nicht mehr der Fall war.

 Herrmann Frank

Herrmann Frank

Foto: SZ/Lorenz, Robby

Und das in einem Land, in dem es eine Woche vor der Wahl keineswegs nach einem konservativen Sieg aussieht.

Dass ausgerechnet die stramm konservative Amy Coney Barrett der verstorbenen Ruth Bader Ginsburg nachfolgt, einer Identifikationsfigur liberaler Amerikaner, hinterlässt bei Letzteren einen Nachgeschmack, der mehr als bitter ist. Es weckt Befürchtungen, dass Urteile kassiert werden, die für gesellschaftlichen Fortschritt standen – vom Abtreibungsrecht bis hin zur Gleichstellung der Homo-Ehe. Wenn es noch eines Beweises bedurfte, der die tiefe politische Spaltung der USA illustriert, dann hat ihn die Causa Barrett geliefert. Bis auf eine Ausnahme gaben ihr sämtliche Republikaner grünes Licht, während sich die Demokraten geschlossen gegen sie stellten. Schuld an der neuerlichen Verhärtung der Fronten ist die republikanische Partei mit ihrer kompromisslosen Machtpolitik. Dieselbe „Grand Old Party“, die 2016 einen von Barack Obama benannten Supreme-Court-Richter mit dem Argument ausbremste, dass man in einem Wahljahr eine so folgenschwere Personalentscheidung nicht trifft. Den Pokal für eine unschlagbare Scheinheiligkeit haben die Republikaner damit gewonnen.

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