Kommentar: Impeachment-Anhörungen in Ukraine-Affäre An Amtsenthebung Trumps zu glauben wäre illusorisch

Dass amerikanische Karrierediplomaten im Mittelpunkt des Interesses stehen, hat absoluten Seltenheitswert. Zumal sie allenfalls in der zweiten Liga der Botschafterposten mitspielen dürfen.

 Herrmann Frank

Herrmann Frank

Foto: SZ/Robby Lorenz

Was daran liegt, dass die Präsidenten, die solche Posten vergeben, mit den begehrtesten – London, Paris, Berlin oder Brüssel – in aller Regel Nichtdiplomaten belohnen, denen sie wegen opulenter Wahlkampfspenden zu Dank verpflichtet sind. So gesehen bieten die Anhörungen des Impeachment-Verfahrens den Amerikanern die Gelegenheit, einen Schlag von Beamten kennenzulernen, für die Donald Trump öffentlich praktisch noch nie ein anerkennendes Wort gefunden hat. Am Mittwoch die Veteranen William Taylor und George Kent, am Freitag Marie Yovanovitch, die geschasste Botschafterin in Kiew: Die Auftritte vor dem Geheimdienstausschuss der Abgeordnetenkammer waren Werbung für diplomatische Professionalität. In strikt unparteiischer Sachlichkeit haben die drei Fakten vorgetragen, die zusammengenommen nur einen Schluss zulassen: Trump betreibt eine Außenpolitik, die sich, zumindest im Fall der Ukraine, mehr an persönlichen Interessen orientiert als an denen des Landes. Erklärtes Ziel der USA ist es ja, der Ukraine zu helfen, dass sie Russland die Stirn bieten kann und sich Schritt für Schritt auf die EU zubewegt. Wenn Trump aber bereits bewilligte Militärhilfe zurückhält, um sie als Hebel zur Durchsetzung eigener Interessen einzusetzen, dann schwächt er Kiew, statt es im Ringen mit Moskau zu stärken.

In der ukrainischen Regierung hat er weniger eine strategische Partnerin und mehr eine potenzielle Wahlkampfhelferin gesehen. Wie skrupellos er die Muskeln einer Supermacht spielen ließ, wie er die Unerfahrenheit des neuen Präsidenten Wolodimir Selenskij auszunutzen versuchte, wie er ihm die Pistole auf die Brust setzte, das erinnert an die Methoden eines Kartells. Indem Trump eine fremde Nation einspannte, um dem innenpolitischen Rivalen Joe Biden zu schaden, brach er amerikanisches Recht.

Dennoch deutet momentan nichts darauf hin, dass das langwierige Verfahren tatsächlich mit seiner Amtsenthebung endet. Wenn nicht alles täuscht, wird das Repräsentantenhaus spätestens im Dezember mit der Mehrheit der Demokraten ein Impeachment beschließen. Dann übernimmt die zweite Kammer, in der 100 Senatoren eine Art Geschworenen-Jury bilden, die über das Schicksal des Präsidenten entscheidet. Zwei Drittel von ihnen müssten ihn für schuldig befinden, was aus heutiger Sicht illusorisch erscheint. In einer derart polarisierten Gesellschaft wie der heutigen amerikanischen haben sich Anhänger und Gegner des Impeachments in tiefen Gräben verschanzt, noch tiefer, als es 1973/74 beim Watergate-Skandal Richard Nixons und 1998/99 beim Verfahren gegen Bill Clinton war. Es wäre ein politisches Wunder, sollten die einen in Scharen ins Lager des anderen überlaufen. Nicht völlig auszuschließen, aber unwahrscheinlich. Was in jedem Fall bleibt, ist der Prestigegewinn für die so häufig vergessenen Experten der Diplomatie.

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