Demokratiebewegung Wahlparty in Hongkong – Schlappe für Regierung und Peking

Hongkong · Mitten in der Nacht brechen die Menschen vor Wahllokalen in Jubel aus. Hongkongs Demokratielager hatte vor den Bezirkswahlen mit einem starken Ergebnis gerechnet. Dass der Sieg dann so deutlich ausfallen würde, hatte aber kaum einer gedacht.

Fast 80 Prozent der Sitze und die Kontrolle über 17 der 18 Bezirksräte konnten die demokratischen Kräfte gewinnen. Die Machtverteilung hat sich damit komplett gedreht.

„Das ist historisch“, jubelte Joshua Wong, das „Gesicht der Demokratiebewegung“, als sich am Montag das ganze Ausmaß der schweren Wahlschlappe für die Hongkonger Regierung abzeichnete. „Während unsere Stadt von halb-autonom zu halb-autoritär verkommt, reagieren wir damit, zu zeigen, wie Demokratie in Aktion aussieht“, fand der 23-Jährige, der selber nicht als Kandidat antreten durfte. Er wurde disqualifiziert, weil ihm unterstellt wurde, mit seinem Ruf nach Selbstbestimmung für die chinesische Sonderverwaltungsregion eigentlich die Unabhängigkeit zu meinen.

Wie es sich in China gehört, gab sich Regierungschefin Carrie Lam nachdenklich. Sie und ihre Regierung wollten „demütig und ernsthaft“ über den Ausgang der Wahl nachdenken, sagte die unpopuläre Vertreterin Pekings – mehr aber auch nicht. Von Konsequenzen oder Eingehen auf die Forderungen der Protestbewegung ist nicht die Rede.

Wie schon in den Tagen vor der Wahl blieb es am Montag auf den Straßen ungewöhnlich ruhig. Keine neuen Proteste, keine Ausschreitungen. Die Frage ist nur, wie lange. „Es wird neue Demonstrationen geben“, meint der Student Tony am Tag nach der Wahl: „Die Regierung hat unsere Forderungen nicht erfüllt.“ In der aufgeheizten Atmosphäre nach den seit Monaten anhaltenden Protesten wurde der Wahl mehr Aufmerksamkeit geschenkt als realpolitisch vielleicht gerechtfertigt. Denn die Bezirksräte haben keine politische Macht, sind nur beratend tätig. Aber die Rekordwahlbeteiligung und der Sieg der Demokraten zeigen nicht nur die Unzufriedenheit mit der Regierung, sondern auch die Unterstützung, die die Protestbewegung unverändert genießt, obwohl die Metropole so gebeutelt ist. Die Mehrheit in den Bezirksräten gibt den Demokraten auch eine größere Mitsprache bei der Ernennung des nächsten Regierungschefs 2022. Ob sie damit aber zum „Königsmacher“ werden, ist nicht ausgemacht, weil Peking eigentlich immer sicherstellt, dass sein Kandidat am Ende durchkommt.

Hongkong sei eben ein Teil Chinas, „egal was passiert“, sagte Außenminister Wang Yi noch in Japan zum Ausgang der Wahl. Der erfolgreiche Ablauf der Wahl wurde in Chinas Propaganda auch paradoxerweise als Beweis gefeiert, dass der Grundsatz „ein Land, zwei Systeme“ doch „lebendig ist und gut funktioniert“.

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