Joe Biden nimmt Nominierung als Präsidentschaftskandidat der US-Demokraten an Ein Verbündeter des Lichts, nicht der Finsternis

Washington · Joe Biden verspricht, als US-Präsident die Spaltung des Landes zu beenden.

 Joe Biden bei seiner Rede auf dem Parteitag der US-Demokraten in Wilmington, wo er zum Präsidentschaftskandidaten nominiert wurde.

Joe Biden bei seiner Rede auf dem Parteitag der US-Demokraten in Wilmington, wo er zum Präsidentschaftskandidaten nominiert wurde.

Foto: dpa/Andrew Harnik

Joe Biden braucht nur drei Sätze Anlauf, dann ist er bei seinem Thema. Dem Thema, das von Anfang an seine Bewerbung fürs Weiße Haus bestimmte. Beim Kampf um die Seele Amerikas. Der jetzige Präsident, sagt er über Donald Trump, habe Amerika schon viel zu lange in Dunkelheit gehüllt – „zu viel Wut, zu viel Angst, zu viel Spaltung“ über das Land gebracht. Er dagegen wolle hier und heute ein Versprechen abgeben. „Wenn Sie mir das Präsidentenamt anvertrauen, werde ich das Beste aus uns herausholen, nicht das Schlechteste. Ich werde ein Verbündeter des Lichts sein, nicht der Finsternis.“

Die Kandidatenrede zum Abschluss des Parteitags der Demokraten, sie war schon deshalb mit besonderer Spannung erwartet worden, weil Biden nicht dafür bekannt ist, große Reden zu halten. Diese aber, so lautete hinterher der Tenor seiner Parteifreunde, sei die beste seines Lebens gewesen. „Bewährungsprobe bestanden“, kommentierte David Axelrod, einst der Wahlkampfstratege Barack Obamas, als Biden vom Rednerpult abtrat.

Man könne sich dafür entscheiden, immer zorniger zu werden, weniger zuversichtlich und für eine noch stärker gespaltene Nation, sagt Biden. Oder aber man nutze die Chance der Krise zur Heilung, zur Wiedergeburt, zur Einigung des Landes. „Dies ist eine lebensverändernde Wahl, die für sehr lange Zeit über Amerikas Zukunft entscheidet.“ Es gehe um Charakter, Mitgefühl, Würde, Wissenschaft und um das Schicksal der Demokratie in den Vereinigten Staaten. Als der Veteran noch bis Anfang März im Wahlkampfbus durchs Land tourte, war auf dem Bus der Slogan „Battle for the Soul of the Nation“ zu lesen.

Trotz seines Alters, erklärte er immer wieder, habe er seinen Hut in den Ring geworfen, ihn in den Ring werfen müssen, nachdem Trump weiße Überlegenheitsfanatiker auf eine Stufe mit Gegendemonstranten gestellt hatte, die den Neonazis in der Stadt Charlottesville die Stirn boten. Ein 77-Jähriger im Einsatz für die moralische Rettung der Republik: Das Motiv wiederholt er am Donnerstagabend in vielen Varianten, nachdem er die Nominierung zum Präsidentschaftskandidaten seiner Partei angenommen hat.

Trump, warnt er vor der Wiederwahl des Amtsinhabers, übernehme keine Verantwortung, gebe grundsätzlich anderen die Schuld und fache die Flammen des Hasses und der Spaltung an. In patriotischem Duktus wirbt Biden um die Stimmen desillusionierter Republikaner, von denen er hofft, dass sie womöglich die Seiten wechseln. Er stehe hier zwar als Bewerber der Demokraten, regieren würde er jedoch als „ein amerikanischer Präsident“.

Die Corona-Tragödie, unter der das Land so leide, wäre nicht so schlimm, hätte Trump auf den Rat der Wissenschaftler gehört, analysiert er die Lage. „Der Präsident erzählt uns immer noch, dass das Virus verschwindet. Er wartet immer noch auf ein Wunder. Nun, ich habe Neuigkeiten für ihn: Ein Wunder wird es nicht geben.“ Er wolle, fügt Biden hinzu, auch zu denen sprechen, die infolge der Pandemie um verstorbene Angehörige trauerten. „Ich weiß, wie es sich anfühlt, jemanden zu verlieren, den Sie lieben. Ich kenne dieses große schwarze Loch, das sich in Ihrer Brust auftut.“ Er wisse aber auch, dass der beste Weg durch Schmerz und Kummer darin bestehe, einen Sinn im Leben zu finden.

Biden, der Leidgeprüfte mit einer Biografie voller Schicksalsschläge. Biden, der Optimist. Biden, der Lebensberater. Um Letzteres zu untermalen, hat die Regie einen überraschenden Zeugen aufgeboten: Brayden Harrington aus New Hampshire. Der 13-Jährige stottert, wie Biden selbst einst in seiner Kindheit. Das hält Harrington nicht davon ab, zu einem Millionenpublikum an den Bildschirmen zu sprechen. Biden, der den Teenager zufällig beim Wahlkämpfen traf, nahm sich die Zeit, um ihm Tipps zu geben, ihm Selbstvertrauen einzuimpfen. Nun bedankt sich Harrington mit einem hochemotionalen Auftritt bei ihm.

Alles dreht sich beim Parteitag der US-Demokraten um den Kontrast zu Donald Trump, dem Michael Bloomberg, der Milliardär aus New York, einmal mehr vorwirft, von Wirtschaft und Geschäften im Grunde nichts zu verstehen. Konkrete Politikentwürfe spielen indes kaum eine Rolle. Was Joe Biden in groben Umrissen skizziert, ist ein groß angelegtes Konjunkturprogramm, das die Wirtschaft wieder ankurbeln soll – ähnlich wie seinerzeit im Jahr 2009, nach der Finanzkrise, als er im Auftrag Obamas ein 800-Milliarden-Dollar-Paket durch den Kongress boxte.

Er stellt fünf Millionen neue Arbeitsplätze in Industrie und Hightech in Aussicht. Ohne in die Einzelheiten zu gehen, deutet er die Rücknahme Trumpscher Steuersenkungen an. Die Außenpolitik, die amerikanische Wähler in aller Regel nur am Rande interessiert, streift er nur kurz. Allgemein, in Form eines Glaubensbekenntnisses, in dem er allerdings eine klare Marschrichtung vorgibt. Ein Präsident Joe Biden, so betont er, stehe fest zu den Verbündeten und Freunden der Vereinigten Staaten, während er deren Gegnern klarmache, „dass die Zeiten des Schmusekurses gegenüber Diktatoren vorbei sind“.

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