US-Demokraten Joe Biden gelingt der Vorwahl-Durchmarsch

Philadelphia · Der 77-Jährige dürfte nach seinen Siegen in wichtigen US-Staaten Präsidentschaftskandidat der Demokraten werden. Doch noch hat sein Konkurrent Bernie Sanders nicht aufgegeben.

  Ex-Vizepräsident Joe Biden, hier mit seiner Frau Jill, sorgte in der Nacht zu Mittwoch für eine Vorentscheidung bei den Vorwahlen der US-Demokraten. Wegen des Coronavirus fiel die Jubelkulisse in Philadelphia allerdings dürftig aus.

Ex-Vizepräsident Joe Biden, hier mit seiner Frau Jill, sorgte in der Nacht zu Mittwoch für eine Vorentscheidung bei den Vorwahlen der US-Demokraten. Wegen des Coronavirus fiel die Jubelkulisse in Philadelphia allerdings dürftig aus.

Foto: AP/Matt Rourke

An dem Abend, an dem Joe Biden das Rennen um die Präsidentschaftskandidatur vielleicht schon für sich entschieden hat, redet er in einem halbleeren Saal. Im National Constitution Center in Philadelphia, einem Museum, das allein der amerikanischen Verfassung gewidmet ist, spricht er vor wenigen, handverlesenen Gästen. Die Corona-Krise gebietet Vorsicht, es ist eine Siegesparty ohne Jubelkulisse. Und das ausgerechnet an einem Abend, an dem Biden bereits wie der sichere Sieger des Wettlaufs gegen Bernie Sanders aussieht.

In Mississippi, wo Afroamerikaner, seine verlässlichsten Stützen, zwei Drittel der Parteibasis bilden, besiegt er den Rivalen so klar, dass es einer Demütigung gleichkommt. Auch in Missouri, einem Staat mit ähnlicher Bevölkerungsstruktur, liegt er deutlich vorn. Im Bundesstaat Washington – dort galt Sanders als haushoher Favorit – gelingt ihm nach vorläufigem Stand ein Remis. Den eigentlichen Triumph aber kann Biden in Michigan feiern, wo er 53 Prozent der Stimmen holt.

Sanders hat all seine Hoffnungen in den Autostaat gesetzt, anderswo Auftritte abgesagt. Vor vier Jahren gewann er dort die Vorwahlen gegen Hillary Clinton, es war ein Coup, der ihm, dem Außenseiter, unverhofften Schwung verlieh. Diesmal wollte er Biden, der sich am „Super Tuesday“ leicht von ihm abgesetzt hatte, so etwas wie ein Stoppzeichen in den Weg stellen. Und da Michigan zu den Rust-Belt-Staaten gehört, in denen die Demokraten das Blatt wenden müssen, wollen sie das Weiße Haus nach der Niederlage des Jahres 2016 von Donald Trump zurückerobern, kam der Primary im „Wolverine State“ eine symbolische Bedeutung zu.

Das Resultat ist so eindeutig, dass die Beraterlegende James Carville dazu rät, den Wettkampf schon jetzt für beendet zu erklären. „Die Wähler haben gesprochen, von nun an geht es nur noch um den November, um den Kampf gegen Trump“, sagt der alte Stratege, der einst den Wahlkampf Bill Clintons dirigierte.

Gerade in Michigan offenbarte sich, wo Sanders Schwachstellen liegen. Zwar kann er sich auf begeisterte junge Anhänger verlassen, die ihn verehren wie einen Rockstar. Doch schon die weiße männliche Arbeiterschaft hat sich längst nicht als so stabile Stütze erwiesen, wie er es sich mit seiner Polemik gegen Freihandelsabkommen zum Nachteil des Rostgürtels der alten Industrie ausgerechnet hatte. Frauen gaben Biden ebenso eindeutig den Zuschlag wie schwarze Wähler. Die Partei, so sieht es Carville, sei eben mehrheitlich nicht zu haben für kühne Experimente mit einem demokratischen Sozialisten an der Spitze.

Wie enttäuscht Sanders angesichts der Schlappe war, ließ sich daran erkennen, dass er sich in der Nacht zum Mittwoch auf keiner Bühne blicken ließ. An seiner Stelle sprach Alexandria Ocasio-Cortez, die linke Kongressabgeordnete, mit der er von Kundgebung zu Kundgebung gezogen war. Es gebe nichts schönzureden, räumte sie ein, „das ist ein harter Abend, ein harter Abend für unsere gesamte Bewegung“. Eine Massenbewegung, so hatte es sich Sanders ausgemalt, sollte Leute mitreißen, die mit Politik bislang nichts am Hut hatten. Hinter der Mobilisierungsoffensive steht nun ein dickes Fragezeichen.

Kein Wunder, dass der Druck auf ihn wächst, dass ihm Parteigranden raten, schon jetzt das Handtuch zu werfen, um ein de facto entschiedenes Duell nicht unnötig in die Länge zu ziehen. Doch am Sonntag steht in Phoenix die nächste Kandidatendebatte an, die erste, bei der nur Biden und Sanders diskutieren. Sanders, 78, wirkt frischer, munterer als sein 77-jähriger Kontrahent, der auf der Fernsehbühne an einen überforderten kauzigen Greis denken lässt und sich bisweilen blamable Ausrutscher leistet. Es könnte sein, dass er den Wortstreit abwartet, bevor er Entscheidungen trifft.

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