Regierungskrise in Italien Immer mehr Parteien signalisieren Draghi ihre Unterstützung

Rom · Der designierte italienische Ministerpräsident Mario Draghi soll kein besonders guter Fußballspieler sein, das haben ehemalige Studienkollegen aus Harvard verraten. In Rom vergleichen dennoch immer mehr Politiker den Ex-Präsidenten der Europäischen Zentralbank mit Fußballstars.

 Der designierte italienische Ministerpräsident Mario Draghi.

Der designierte italienische Ministerpräsident Mario Draghi.

Foto: dpa/Arne Dedert

„Draghi ist ein Spitzenspieler wie Ronaldo, so einer darf nicht auf der Bank sitzen“, sagte Giancarlo Giorgetti, Vizeparteichef der rechten Lega und meinte damit, der 73-Jährige müsse genügend Unterstützung bei der Bildung einer Regierung bekommen, auch von der Lega.

Matteo Renzi, Chef der Kleinpartei Italia via, der die Regierung von Giuseppe Conte gestürzt und den institutionellen „Big Bang“mit der Nominierung Draghis durch Staatspräsident Sergio Mattarella ausgelöst hat, wie es die Zeitung Corriere della Sera bezeichnete, verglich den designierten Premier mit Italiens Fußballer-Legende Roberto Baggio. „Baggio muss man nicht erklären, wie man Freistöße schießt“, sagte Renzi. Das sollte bedeuten: Mario Draghi, der jahrelang die europäische Währungspolitik prägte und als Retter des Euro gilt, weiß schon, wie er die Regierungsbildung angeht.

Die Nominierung Draghis hat die römische Parteienlandschaft in Aufruhr versetzt. Bei Beratungen am Freitag bekundeten nicht nur Renzis Italia Viva Unterstützung einer von ihm getragenen Regierung. Auch die Sozialdemokraten sowie Silvio Berlusconis Forza Italia wollten am Freitag grünes Licht geben. Offenbar liebäugelt auch die Protestpartei Fünf-Sterne-Bewegung (M5S) mit einer Regierung Draghi. In Rom ist die Rede von der Bildung einer „Ursula-Mehrheit“, den italienischen Parteien, die im EU-Parlament gemeinsam für Ursula von der Leyen als EU-Kommissionspräsidentin stimmten. Dazu gehörten Forza Italia, Sozialdemokraten sowie die Fünf-Sterne-Bewegung. Um zu regieren, braucht Draghi eine Mehrheit in beiden Parlamentskammern.

Nach der Nominierung Draghis durch Staatspräsident Sergio Mattarella am Mittwoch hatten sich Stimmen aus der Protest-Bewegung gegen eine Regierung Draghi ausgesprochen. Die Sterne sind mit Abstand die stärkste Kraft im Parlament, sie hatten die Parlamentswahl 2018 mit 34 Prozent der Stimmen gewonnen. Inzwischen verschaffte sich die Strömung um Noch-Außenminister Luigi di Maio immer mehr Gehör, der sagte: „Wir haben die Pflicht, Draghi zuzuhören und entscheiden anschließend.“ Der gestürzte und parteilose Conte hatte am Donnerstag gesagt, er sei „kein Hindernis“ für die neue Regierung und stellte eine aktive Rolle bei den Fünf Sternen in Aussicht. „Ich bin da und werde da sein“, sagte er. Auch Parteigründer und Satiriker Beppe Grillo kam für die Beratungen nach Rom. Möglich ist, dass die Mitglieder nach den Sondierungen in einer Urwahl über die Beteiligung an der Regierung Draghi abstimmen. Beobachter schlossen eine Spaltung der Bewegung nicht aus.

Auch das bislang verbündete Mitte-Rechts-Lager hatte sich nach der Beauftragung Draghis mit der Regierungsbildung aufgespalten. Die in den Umfragen immer stärkere Rechtsaußen-Partei Fratelli d‘Italia um Giorgia Meloni kündigte den Verbleib in der Opposition an. In der von Ex-Innenminister Matteo Salvini geführten Lega gibt es noch keine definitive Entscheidung. Salvini hatte Neuwahlen als den „Königsweg“ ausgerufen. Gleichzeitig gibt es in dem der Lega nahestehenden Unternehmertum Norditaliens große Sympathien für den als Euro-Retter beschriebenen Draghi, die Vizeparteichef Giorgetti mit seiner Fußball-Metapher zusammenfasste.

Eine gemeinsam mit der Fünf-Sterne-Bewegung getragene Regierung Draghi schloss Salvini aus und machte die Zustimmung der Lega unter anderem von Steuersenkungen abhängig. Am Samstag treffen sich Lega und Fünf-Sterne-Bewegung zu Sondierungsgesprächen mit Draghi. Der designierte Premierminister hat für kommende Woche bereits eine zweite Beratungsrunde mit den Parteien angesetzt.

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