Aus Interview-Mitschnitten geht hervor Trump hat Corona-Gefahr bewusst verharmlost

Washington · Der US-Präsident fiel im Frühjahr mit verharmlosenden Äußerungen zur Gefahr durch das Coronavirus auf. Aus Interview-Mitschnitten geht nun hervor, dass er damals die gravierenden Risiken durchaus kannte.

Bei mindestens fünf Veranstaltungen im Februar und März orakelte Donald Trump vor seinen Anhängern, dass das Coronavirus wie durch ein Wunder wieder verschwinden werde. Da kannte der US-Präsident bereits dessen Risiken.

Bei mindestens fünf Veranstaltungen im Februar und März orakelte Donald Trump vor seinen Anhängern, dass das Coronavirus wie durch ein Wunder wieder verschwinden werde. Da kannte der US-Präsident bereits dessen Risiken.

Foto: dpa/Chris Carlson

Sean Hannity ist Moderator, beschäftigt bei Fox News, dem Haussender der amerikanischen Konservativen. Auf Hannity, weiß Donald Trump, kann er sich jederzeit verlassen. Der Fernsehmann versteht sich als wohlwollender Berater, bisweilen auch als Stichwortgeber des Präsidenten. Kritisches Nachhaken ist nicht seine Sache, oft klingt er, als wäre er ein Regierungssprecher, der allem, was das Kabinett tut, den richtigen Dreh zu geben versucht. Gerät Trump in Erklärungsnot, lässt er sich bei Hannity zuschalten, um sich zu rechtfertigen. So auch am Mittwochabend, als er zur besten Sendezeit betonte, dass er ein Cheerleader für sein Land sei und daher keine Panik auslösen wolle. „Ich kann ja nicht hektisch herumspringen und den Leuten Angst einjagen.“

Wieder einmal ist es ein Buch Bob Woodwards, des Reporters, der zusammen mit Carl Bernstein den Watergate-Skandal aufdeckte, das einen Präsidenten in Verlegenheit stürzt. In „Rage“ porträtiert der Verfasser akribisch recherchierter Dokumentationen über das Leben hinter den Kulissen der Macht Trump als einen Scharlatan, der früh um die Gefahren des Coronavirus wusste und dennoch Beruhigungspillen verteilte. Joe Biden, dem Rivalen im Duell ums Weiße Haus, liefern die Enthüllungen knapp zwei Monate vor der Wahl willkommene Munition. Während der Amtsinhaber alles tut, um von Versäumnissen beim Umgang mit der Epidemie abzulenken, bleibt das fahrlässige Krisenmanagement für Biden das zentrale Thema. Trump habe das amerikanische Volk angelogen, kommentiert er, was in Auszügen vorab aus „Rage“ veröffentlicht wurde. Er habe die Amerikaner betrogen, obwohl es um Leben oder Tod ging.

Die Zeitschiene beginnt mit Robert O’Brien, Trumps Sicherheitsberater, der Ende Januar in kleiner Runde eindringlich warnte: „Dies ist die größte Bedrohung der nationalen Sicherheit, mit der Sie es in Ihrer Amtszeit zu tun haben“. Am 7. Februar räumte der Präsident gegenüber Woodward ein, das Risiko sei deutlich höher, als er vor Publikum zugeben wolle. Man atme es mit der Luft ein, das Virus, das viel gefährlicher sei als selbst die schlimmste Grippe. „Das ist tödliches Zeug“, sagte er, während er nach außen so tat, als wäre Sars-CoV-2 vergleichbar mit einem ganz normalen Grippe-Erreger.

In den vier Wochen danach stimmte er seine Anhänger auf fünf Kundgebungen auf den anstehenden Wahlkampf ein, jeweils in geschlossenen Räumen, großen Hallen, ohne auch nur den leisesten Warnhinweis zu geben. Das Virus werde wie durch ein Wunder verschwinden, orakelte er noch Ende Februar, ehe er in der zweiten Märzwoche den Schalter umlegte und endlich Klartext redete. Er habe die Gefahr heruntergespielt, gab er am 19. März bei einem weiteren Treffen mit Woodward zu, „und ich will sie noch immer herunterspielen, weil ich keine Panik auslösen möchte“. Am 31. März verteidigte er sein Krisenmanagement vor der Presse mit den Worten, dass man zunächst ja nicht wissen konnte, wie hochansteckend das Virus sei: „Es ist so unglaublich ansteckend, und keiner hat das gewusst“.

Diesmal, das unterscheidet den Fall von anderen, kann sich Trump nicht hinausreden, falsch wiedergegeben worden zu sein. Von Dezember 2019 bis Juli 2020 hat Woodward 18 Interviews mit ihm geführt, neun Stunden lang, und alles mitgeschnitten. So war denn auch, als die Washington Post auszugsweise ins Netz stellte, was ihr einstiger Starreporter auf Band hatte, O-Ton Trump zu hören. Durch kein noch so raffiniertes Statement ließen sich die Tonkonserven entkräften, und dass Woodward ihn aufs Glatteis geführt hätte, konnte der Mann im Oval Office auch nicht behaupten. Die Absprache besagte, „on the record“ zu reden, so, dass man zitieren werden und die Quelle benannt werden darf. Offensichtlich legte Trump selber gesteigerten Wert auf die Gespräche mit Woodward, nachdem er für ein früheres Buch des Bestseller-Autors („Fear“, erschienen im September vor zwei Jahren) noch sämtliche Interviews verweigert hatte – und sich hinterher, offenbar in seiner Eitelkeit gekränkt, darüber beschwerte. Die Verlockung sei zu groß gewesen, meint Karl Rove, einst Berater George W. Bushs. „Jeder Präsident macht irgendwann bei einem Woodward-Buch mit, um es danach zu bereuen.“

Das Buch des renommierten Reporters Bob Woodward bringt US-Präsident Trump in die Bredouille.

Das Buch des renommierten Reporters Bob Woodward bringt US-Präsident Trump in die Bredouille.

Foto: AP/Andrew Harnik

Jedenfalls hat Bob Woodward, präzise, wie man es von ihm gewohnt ist, die Fehlleistung des Staatschefs in knappen Sätzen aus den Punkt gebracht. Ein Präsident der Vereinigten Staaten habe die Pflicht, vor Gefahren zu warnen, betont er im Interview mit „60 Minutes“, einem renommierten TV-Nachrichtenmagazin, das in voller Länge am Sonntag ausgestrahlt wird. „Die Leute werden es verstehen. Wenn sie aber das Gefühl haben, dass man ihnen nicht die Wahrheit sagt, dann begeben Sie sich auf den Pfad der Täuschung und der Vertuschung.“

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